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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Ekman
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entdeckt.
    Als sie geheiratet hatte, schrieb sie, dass in dem hellhörigen Haus Radioapparate lärmten, Toiletten rauschten und Schranktüren schlügen und dass sie glaube, man werde von wahrer Stille scheu. Weiter schrieb sie, dass sie ihre Volantgardinen in der Küche gewaschen und mit einem Döschen Pulver hellblau gefärbt habe. Sie hätten das Blau des Himmels angenommen, fügte sie hinzu, da sie die Dinge immer von der lichten Seite zu sehen versuchte. In ihre Küche war also der Himmel eingezogen, und sie war ein Engel, der Heringe briet und von Stille scheu wurde. Obwohl ich glaube, dass Stille ihr eher Schrecken einjagte.
    Das Präsens ist eine Zeitform, die sie missbilligte. Sogar verbot. Sie sagte, es sei das Tempus der Angst. Doch da übertrieb sie, denke ich. Im Übrigen sollte man mit einem Wort wie Angst nicht leichtfertig umgehen, und das sagte ich ihr auch.
    »Na, dann eben Bangigkeit«, sagte sie. »Angst hat man wohl eher in diesen bibbrigen Morgenstunden, wenn man die Rezensionen noch nicht gelesen hat.«
    »O nein, das ist bloß Bangigkeit. Gerade du müsstest wissen, was Angst ist.«
    »In Übersetzungen ist das Präsens jedoch unmöglich«, erklärte sie. »Besonders im Englischen. Im angelsächsischen Sprachraum scheut man davor zurück.«
    Man scheut also vor der Gegenwart zurück. Denn das Präsens ist ja die Gegenwart. Lillemor wollte das Imperfekt haben, wahrscheinlich weil man die Dinge damit hinter sich gelassen hat und sie in einer Erzählform, fest wie Gusseisen, beherrscht. Noch schlimmer wäre natürlich das Plusquamperfekt, von diesem Altmännertempus lässt man klugerweise die Finger. Damit wird das Vergangene nur noch weiter nach hinten verschoben, und es ist, als stakste man in sehr fernen Erinnerungen herum, farblos geworden wie alte Diapositive.
    Wenn das Präsens Angst ist, gebe ich es ihr. Das Imperfekt ist für mich, da alles hinter mir zu liegen scheint. Das Leben. Jetzt ist nur noch diese unvermeidliche Ackerei übrig. Aufstehen, Radio anmachen, Teewasser aufsetzen. Weiterackern.
    Das nächste Mal traf ich sie dann in einer Konditorei. Ich hatte Landings vorgeschlagen, doch sie zog Güntherska vor, das ein bisschen abseits in der Östra Ågatan lag. Als wir schließlich im Engelska Parken aufeinandergestoßen waren, hatte ich kurzerhand mein Anliegen vorgetragen; sie war verblüfft. Ich hatte mit Entrüstung und Zurückweisung gerechnet, denn sie war konventionell, schließlich war die Familie auf dem Weg nach oben.
    »Ich kann das allerdings nicht machen, ohne es gelesen zu haben«, hatte sie gesagt und dafür jetzt zwei Tage Zeit gehabt. Ich musste fast eine Dreiviertelstunde warten, bis sie auftauchte. Ihre Wangen waren rosig, sie war wohl wieder schnell geradelt, und sie steckte sich eine Zigarette an.
    »Diese Geschichte ist gar nicht dumm!«, sagte sie. »Du kannst ja schreiben.«
    »Ich will den ersten Preis.«
    Es roch nach Kaffee, Vanille und Tabak, als ich mir das Foto anschaute, das Lillemor mitgebracht hatte. Es war eine Atelieraufnahme. Das blonde Haar, gescheitelt und mit gelocktem Pony, war ordentlich frisiert. Ihren bis zum Lockenkranz im Nacken flachen Hinterkopf sah man nicht. Ihre Augen waren sehr groß und tief, die gezupften Augenbrauen darüber diskret mit einem Stift nachgezogen. Die Lippen waren sorgfältig geschminkt und glänzten. Sie trug den ausgeschnittenen rosaroten Angorapulli wie auch jetzt, doch auf dem Bild war er hellgrau. Um den Hals hatte sie eine Perlenkette, die adrett auf den zerbrechlich wirkenden Schlüsselbeinen lag.
    Die Kellnerin kam, und Lillemor bestellte Kaffee und zwei Schokorollen mit Pistazien und Sahne. Da sie die letzte Zigarette aus ihrer Packung geraucht hatte, ergänzte sie die Bestellung um eine Schachtel Marlboro. Mir war klar, dass ich sie einladen sollte, und ich reduzierte den letzten Teil der Bestellung auf zwei einzelne Zigaretten der Marke Boy. Sie hatte sich die Lippen geleckt. Die Gier, von der sie nichts wusste, lag weit vor dem Gedanken.
    »Das mit dem Foto gefällt mir nicht«, sagte Lillemor. »Wozu brauchen Sie das?«
    »Zum Veröffentlichen. Ist doch ein Magazin.«
    Sie sah mich an, nachdenklich. Ich war nicht hübsch, aber sie war es. Im Güntherska hatte ich mich so gesetzt, dass ich den Konditoreispiegel im Rücken hatte. Normalerweise wäre es mir egal gewesen, aber jetzt war die Frage des Aussehens so wichtig, um nicht zu sagen: schicksalsträchtig, dass ich den direkten Beweis dafür, niemals
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