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Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Schwindlerinnen: Roman (German Edition)

Titel: Schwindlerinnen: Roman (German Edition)
Autoren: Kerstin Ekman
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einen Preis in einem Magazin gewinnen zu können, vermied. Ich hatte mein Abitur in allen Fächern außer Sport mit Eins plus gemacht. Doch darum ging es jetzt nicht.
    Wir verabredeten, dass Lillemor die Hälfte der Preissumme von fünfhundert Kronen dafür bekommen sollte, dass sie die Geschichte unter ihrem Namen einschickte und im Restaurant Metropol in Stockholm den Preis entgegennehmen würde.
    »Du scheinst dir ja recht sicher zu sein!«
    »Ja«, sagte ich. »Ich werde gewinnen.«
    Natürlich überlegte sie es sich anders. Schon nach einer Woche rief sie an und sagte, es sei doch bescheuert, bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb für einen anderen Menschen einen Preis entgegenzunehmen. Außerdem sei es Betrug. Sie rief mich in der Bibliothek an, was meinen Chef aufbrachte. Wir durften keine Privatgespräche führen. Wie üblich überlegte sie es sich dann doch noch mal. Sie hatte ja auch die Geschichte und das Foto schon eingeschickt.
    Die Zuerkennung des ersten Preises beruhte nicht nur darauf, dass ich schreiben kann. Anstatt Lucia wie selbstverständlich zum Opfer zu machen, hatte ich sie in der Wettbewerbskonkurrenz morden lassen. Das war allerhand, und den alten Knackern in der Jury gefiel das sicherlich im gleichen Maße wie die von Lillemor Troj eingesandte Fotografie. Die Mordmethode war natürlich fragwürdig. Von einem Glas Wasser, in dem ein paar Stunden Maiglöckchen gestanden haben, wird einem höchstens schlecht. Aber es ging durch. Es ist zumindest zweifelhaft, ob im Dezember zum Blühen gebrachte Maiglöckchen überhaupt noch Gift absondern, und von der damals führenden Krimiautorin, die in der Jury saß, hatte ich in dem Magazin einen ironischen Kommentar bekommen. Ganz offensichtlich hatte sie nicht für meine Geschichte gestimmt.
    Wir saßen in Lillemors Zimmer im Studentinnenheim Parthenon in der Sankt Johannesgatan. Sie erzählte mit Bravour von ihrem Besuch in Stockholm und wie sie den Preis entgegengenommen hatte. Ich weiß nicht, ob ich schon damals an ihre dramatische Ader herankommen wollte. Sie ist eine Schauspielerin. Und die verkümmert ohne Publikum. Dieses Talent ist vielleicht nicht angeboren, aber frühzeitig erworben. Ein süßes Mädchen lernt seine Erlebnisse so aufzubauschen, dass die Schilderung hörenswert wird.
    Sie machte in einem Elektrokocher Wasser heiß und bot Tee an. Auf dem Tisch zwischen uns reihte sie die Geschenke auf, die sie und die Luciakandidatinnen erhalten hatten. Sie stammten von Firmen, die in dem Zeitungsbericht erwähnt werden wollten. Ich durfte nun wählen zwischen einem Minifläschchen Parfüm (Hermès) und einem Döschen Pancake Make-up, das den Teint glatt und braunrosa machte, zwischen einem Paar nahtloser Nylonstrümpfe und einem rosa Plastikschminktäschchen mit Reißverschluss. Die Strümpfe saßen allerdings schon an Lillemors Beinen. Sie hatte den Scheck mit der Preissumme eingelöst, gab mir jetzt das Geld, und ich gab ihr zweihundertfünfzig Kronen zurück.
    Sie saß in einem Korbsessel, den sie mit schwarzer Lackfarbe angestrichen und mit einem roten Kissen bestückt hatte. Hinter ihr an der Wand hing eine Kalebasse neben der ungerahmten Farbreproduktion eines Van-Gogh-Gemäldes: ein Straßencafé am Abend. Von den Straßenlaternen ergoss sich das Licht in die Anilinschatten der Reproduktion. Ich saß auf der Ottomane.
    Als ich die Scheine in meine Brieftasche steckte, sagte Lillemor: »Ich finde, du könntest dir einen neuen Mantel kaufen.«
    Ich verstand nicht, was an meinem braunen Mantel verkehrt war. Ich hatte ihn zu einer Jacke umgearbeitet.
    »Du solltest nicht in so einem abgeschnittenen alten Ding herumlaufen«, sagte Lillemor. »Du siehst darin nur noch größer aus.«
    »Es kommt mir nicht zu, mich kleiner zu machen, als ich bin«, erwiderte ich.
    Ich hatte nicht erwartet, dass wir Freundinnen würden, aber doch wenigstens in Kontakt blieben. Daraus wurde nichts. Zweimal besuchte ich sie noch im Studentinnenheim, aber sie bot mir keinen Tee mehr an. Und beim letzten Mal erzählte sie, dass sie sich verlobt habe. Das Foto ihres Zukünftigen stand auf der Kommode, und ich hatte das Gefühl, dass er uns bei unserer Unterhaltung beobachtete. Er schien ein dunkler Typ zu sein. Die Fotografie hatte jedoch einen Braunstich, und sein Haar war in Wirklichkeit von der schwedischen Nichtfarbe. Im Lauf der Jahre sollte er einen dicken Bauch bekommen, was im Verein mit seinen kurzen Beinen fatal war.
    Da saß Lillemor nun. Sie war mir so
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