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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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und gleichzeitig eigenartig berührte, denn
     zum einen hatte ich mich wohl an ihn gewöhnt, zum anderen ahnte ich vielleicht, dassich meine Angst noch nicht überwunden hatte, dass mir die Feuerprobe noch bevorstand. Natürlich hätte ich nicht gedacht, dass
     ich sie ausgerechnet an dem Wochenende mit Julian zu bestehen hätte.

2
    Als ich nach Hause kam, begrüßte mich mein Vater mit den Worten: »Pass auf, wenn du durch den Flur gehst, Eva, ich hab da
     alles rausgerissen, wir bekommen heute die neuen Türen geliefert.«
    Er stand im Blaumann vor einem Tapeziertisch im Schatten des Walnussbaums. Hinter ihm, keine zwei Meter entfernt, flitzten
     zwei Eichhörnchen den Stamm hinauf. Das Fell des braunen erinnerte mich an Julians Haar, das rote war bestimmt das Weibchen
     und irgendwo in der Baumkrone hatten sie ihr Liebesnest. Himmel, ging’s mir gut!
    »Was grinst du so? Du kannst mir gern beim Umbau helfen.«
    »Keine Zeit mehr. Um zehn nach eins geht mein Zug.«
    »Du fährst also?«
    »Ja klar!« Wovon redete und worauf freute ich mich denn die ganze Zeit?!
    »Ich meine ja nur. Du fühlst dich fit und   …«
    »Ja!« Ich biss die Zähne aufeinander.
    »Okay, ich finde das ja auch gut. Mama macht sich natürlich Sorgen, ganz generell, meine ich, es ist ja auch das erste Mal,
     dass du allein mit deinem Freund Urlaub machst.«
    »Urlaub! Es sind ja nur vier Tage.«
    Mein Vater lachte. »Immerhin! Unsereins muss arbeiten. Opas altes Haus zu renovieren ist doch aufwendiger als gedacht. Also,
     ich fahr dich dann gleich zum Bahnhof. Wann kommst du in diesem Munkelbach an?«
    »Um halb fünf. Ich muss dreimal umsteigen.«
    »Na, bist ja noch jung. Rufst dann aber an, nicht vergessen!«
    »Natürlich nicht«, antwortete ich, ging ins Haus, warf die Schultasche in ihre Ecke, boxte mit der Faust gegen meinen fertig
     gepackten Trekkingrucksack, als wäre er ein guter Kumpel, drehte die Stereoanlage auf, duschte, schmierte mir ein Käsebrötchen,
     aß es vor meinem offenen Kleiderschrank und stellte mir mümmelnd-krümmelnd vor dem Spiegel posierend vor, wie ich in wenigen
     Stunden schön wie ein Topmodel in Munkelbach aus der Bahn steigen und meinem mit einem Strauß roter Rosen winkenden Julian
     in die Arme fliegen würde.
    Da Julian als Oberstufenschüler etwas lockerer über seine Schulzeit verfügen konnte als ich, war er bereits am Dienstagmittag,
     dem Tag vor dem Feiertag, gefahren, während ich am Donnerstag noch ein paar Unterrichtsstunden absitzen musste und nur den
     Freitag freihatte, an dem ein Lehrerausflug stattfand. Wenn diese vier störenden Stunden am Donnerstagmorgen ausgefallen oder
     meine Eltern ausnahmsweise bereit gewesen wären, mir eine Entschuldigung zu schreiben, hätte mir und Julian fast eine ganze
     Woche Urlaub zur Verfügung gestanden. Doch Julian musste am Dienstag ohne mich nach Munkelbach fahren. Soweit ich wusste,
     wollte er die Zeit nutzen, um für seine Eltern ein paar Renovierungsarbeitenzu erledigen. Ich fand das okay, ich mochte die Vielseitigkeit meines Freundes, war angetan davon, dass er in einer Handballmannschaft
     war, Saxofon spielte und außerdem handwerklich einiges draufhatte. Wie hätte ich auf den Gedanken kommen sollen, dass es ein
     Fehler sein könnte, die Fahrt nach Munkelbach nicht gemeinsam anzutreten?
    »Eva«, rief mein Vater, »es wird Zeit!«
    »Komme!« Ich sauste noch mal ins Bad, checkte mein Aussehen: Haare, Top, Sonnenbrille – alles klar, checkte mein Gepäck: Handy,
     Tagebuch, Antibabypille – alles da, band mir die Jeansjacke um die Hüften und schulterte meinen Trekkingrucksack. Fertig!
    Puh, jetzt los und immer cool bleiben!
    Ich eilte durch den engen Flur. Dabei muss der sperrige Rucksack am herausgebrochenen Türrahmen hängen geblieben sein. Ich
     spürte zwar den Ruck und hörte das reißende Geräusch, lief aber weiter, ohne zu kontrollieren, ob im Seitenfach, in dem ich
     Dinge aufbewahrte, die ich griffbereit haben wollte, noch alles sicher verstaut war.

3
    Mein Vater kam nicht mit in den Bahnhof, die Baustelle wartete. Bevor er mich aussteigen ließ, gab er mir aber noch einmal
     all die überlebenswichtigen Ratschläge mit, die ich in den letzten Tagen bestimmt tausendmal gehört hatte.
    »Ja, ja, ich pass schon auf mich auf! Kannst dich aufmich verlassen«, unterbrach ich ihn und fügte versöhnlich hinzu: »Soll ich euch von der Mosel was Schönes mitbringen?«
    »Hast du denn genug Geld?« Er zückte sein
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