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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition)
Autoren: Joanna Trollope
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Eltern anrufen.«
    »Nein«, bestimmte Sigrid.
    »Setz dich.«
    »Also wirklich«, fiel Luke ein. »Warum einen so schönen Abend ruinieren?«
    »Aber sie werden …«
    Luke ließ Charlottes Hand los. Er drehte sich zur Seite und hielt Edward am Arm zurück.
    »Ich mache das.«
    »Was …«
    »Ich rufe Mum und Dad an«, erklärte Luke.
    »Aber …«
    »Morgen früh«, entschied Luke. »Nicht jetzt. Jetzt feiern wir. Ich werde sie morgen anrufen und ihnen erzählen, dass wir alle zusammen waren.« Er drückte Edwards Arm. »Okay?«
    »Okay«, wiederholte Edward.
    Sigrid lehnte sich im Stuhl zurück.
    »Na bitte«, sagte sie zu ihrem Mann. »Luke wird sich darum kümmern. Du musst gar nichts tun.«
    Sie lächelte ihn an. Er wusste nicht, wann er sie je so entspannt gesehen hatte. Er erwiderte ihr Lächeln und setzte sich, griff nach der Weinflasche und hielt sie gegen das Licht. Leer. Wie war das denn passiert? Er holte lieber noch eine …
    »Ich hole noch eine«, sagte Ralph und nahm ihm die Flasche aus der Hand.
    »Sie sind im …«
    »Ich weiß«, sagte Ralph. Er stand auf. »Ich weiß.«
    Edward ließ seinen Blick in die Runde schweifen. »Was geht hier vor?«
    Sigrid begann zu lachen, und Petra und Charlotte fielen mit ein. Luke stützte die verschränkten Arme auf den Tisch und lehnte sich zu Edward.
    »Veränderungen«, grinste er. Er sieht aus wie sechzehn, dachte Edward, aber wie sehr sympathische sechzehn. Luke hob den Daumen: »Veränderungen.«

Kapitel 20
    Das Licht nahm schnell ab. Es überraschte Anthony jedes Jahr mehr, wie schnell die Abende hereinbrachen, sobald der Sommer vorbei war, und er sich auf einen winterlichen Arbeitsplan einstellen musste, bei dem er, und das auch nur an hellen Tagen, höchstens vier oder fünf Stunden natürliches Licht hätte. In der Vergangenheit hatte er die Winter zum Sezieren und Beobachten genutzt und für die minutiös an Schaubildern ausgerichtete Rekonstruktion von Vogelskeletten, die er so verdrahtete, dass es aussah, als würden diese geisterhaften Kreaturen noch immer herumlaufen oder picken oder fliegen. Die Atelierregale waren vollgepackt mit Skeletten, die, ebenso wie die von den Dachbalken hängenden Exemplare, weitgehend zerbrochen waren, ein zerfallenes Ossuarium vergangenen Lebens, vergangener Bewegung. Sie wirkten ein bisschen makaber, vor allem die augen- und schnabellosen Schädel, aber es fiel ihm dennoch schwer, sie wegzuwerfen. Sie repräsentierten all die Lernprozesse und Fortschritte und waren der Beweis, falls er ihn noch bräuchte, dass er einen Vogel anschaulich in nur zwei Dimensionen darstellen konnte, weil er genau wusste, wie sein Körper in drei Dimensionen funktionierte.
    Jedes Jahr, wenn der Herbst begann, begutachtete Anthony seine Skelettsammlung, schwor sich, sie zumindest zu reduzieren – und tat nichts. Rachel hielt ihm jedes Jahr vor, es sei unfair den Jungs gegenüber, nicht wenigstens den gröbsten Müll im Atelier auszumisten und sich nicht ewig vor dieser Mammutaufgabe zu drücken. Schließlich würde sie unweigerlich ihnen zufallen, sobald Anthony tot war.
    »Sie können alles wegschmeißen«, entgegnete Anthony. »Alles. Es hat für sie nicht die Bedeutung, die es für mich hat. Und ich werde nicht mehr da sein, um auf diese Bedeutung zu pochen, oder?«
    »Aber es wird eine sehr deprimierende Aufgabe für sie sein. Lauter Abfallsäcke voller Knochen. Warum willst du ihnen etwas so Düsteres aufbürden?«
    Aber sie sind nicht düster, dachte Anthony jetzt, als er im matten Licht der frühen Abenddämmerung die Regale inspizierte. Überhaupt nicht düster. Sie sind interessant, jedes Einzelne, und immer noch von Wert für mich. Sie repräsentieren für mich eine Lebensreise, meinen Werdegang. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal als Künstler Geld verdienen und eine Familie ernähren könnte, und auch meine Eltern nicht. Aber ich habe es geschafft. Ich habe sie alle durchgebracht und drei Jungs großgezogen und für ihre Ausbildung gesorgt, weil ich nicht nur die Fähigkeit besitze, etwas zu sehen, sondern es auch mit meiner Hand und meinem Geist so nachzubilden, dass andere Menschen es ebenfalls sehen können. Ich kann Vögel auf dem Papier lebendig werden lassen. Und diese alten Vogelknochen, wie Rachel sie nennt, waren ein Teil dieses Prozesses, ein Teil des immerwährenden Beobachtens, bis man wirklich versteht, wie etwas funktioniert, und es dann wiedergeben kann, so wie ich jetzt, ohne noch darüber nachdenken zu
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