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Schwesterlein muss sterben

Schwesterlein muss sterben

Titel: Schwesterlein muss sterben
Autoren: Freda Wolff
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aufregen, dazu stand zu viel auf dem Spiel. Aber das Warten machte ihn fertig. Er überlegte kurz, ob er schon früher zuschlagen sollte, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. So wie er es geplant hatte, war es richtig. Ihm fehlten noch ein paar Informationen, die er dringend brauchte.
    Vielleicht sollte er überhaupt erst noch mal bei der Zeitschriften-Tussi vorbeisehen, um ihr die Meinung zu sagen. Dann wäre das schon mal erledigt. Andererseits war das wahrscheinlich doch keine so gute Idee. Er sollte besser auch weiterhin nur den Eindruck des netten jungen Mannes erwecken, der sich ausschließlich für die Hefte mit den Intelligenztestsinteressierte. »Guter Tipp«, würde er beim nächsten Mal zu der blöden Tussi in ihrem Laden sagen, »danke noch mal, dass Sie mich darauf hingewiesen haben. Hat mir Spaß gemacht. Waren fast alles Aufgaben, wie ich sie mit vierzehn schon mal gelöst habe. Ich wusste gar nicht, dass es solche Aufgaben immer noch gibt.«
    Die kleine Nebenbemerkung würde sie nicht kapieren, dazu war sie zu blöd. Sie würde nur denken, dass er tatsächlich etwas Besonderes sein musste, wenn er mit vierzehn schon Intelligenztests gemacht hatte.
    Er erinnerte sich noch genau an den langen Flur auf dem Amt, an den grauen Linoleumboden, die verkratzte Tischplatte, auf der die Bögen mit den Aufgaben lagen. Der Stuhl hatte bei jeder Bewegung gequietscht, und mittendrin hatte die Kugelschreibermine versagt. Die Psychologin hatte ihm dann einen Bleistift gegeben, der auf dem leicht glänzenden Papier nur schlecht zu sehen war. Er wusste auch noch, dass es bei einer der Aufgaben darum ging, einen Baum zu zeichnen. Er konnte noch nie gut zeichnen, aber das Bild gelang ihm nicht schlecht, er war selber überrascht. Und er hatte sich schon mit vierzehn darüber gefreut, wie die Psychologin wohl die offensichtliche Tatsache interpretieren würde, dass er eine Trauerweide gezeichnet hatte.
    Sie hatte am offenen Fenster gestanden und geraucht, während er sich durch die Fragen arbeitete. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sich ihr Slip unter dem Rock abzeichnete. Aber es störte ihn, dass sie nach Zigarettenrauch stank, als seine Zeit abgelaufen war und sie zu ihm herüberkam, um die Blätter einzusammeln.
    Das Ergebnis bekam er eine Woche später mitgeteilt. Der Erzieher, der damals mit ihm auf dem Amt war, hatte zweimalnachgefragt, ob es auch wirklich keinen Irrtum geben könnte. Dann hatte er ihm kumpelhaft den Arm um die Schultern gelegt: »Alle Achtung, Junge, hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    Er hatte ebenfalls nach Rauch gestunken und nach irgendeinem billigen Rasierwasser.
    Als die Psychologin aufstand, um ihn zu verabschieden, hatte er wieder nach der Naht unter ihrem Rock gesucht. Aber es war nichts zu sehen, der Stoff war vollkommen glatt. Er hatte kurz die Phantasie gehabt, dass sie diesmal keine Unterwäsche trug. Und vielleicht nur für ihn!
    Sie hatte einen IQ von 138 errechnet, weit über dem Durchschnitt: »Die meisten Menschen liegen zwischen 90 und 110.«
    Er hatte nicht gefragt, ob sie ihren eigenen IQ wusste. Dass der Sozialarbeiter bestenfalls auf den Wert eines Gorillas kam, war ohnehin klar. Erst viel später hatte er irgendwo gelesen, dass Jodie Foster ihn selber mit einem IQ von 140 noch übertraf. Genauso wie Sharon Stone.
    Sharon Stone war trotzdem eine Schlampe. Bei Jodie Foster wusste er es nicht genau. Aber er hatte einen Film mit Sharon Stone gesehen, bei dem sie sich in der Badewanne selbst befriedigte. Und in einer anderen Szene traf sie sich mit einem wildfremden Typen in ihrer Wohnung, und als der sich über sie beugte und ihr unvermittelt zwischen die Beine griff, war sie innerhalb von Sekunden gekommen. Die Szene machte ihn bei weitem mehr an als der Film, mit dem sie dann richtig berühmt geworden war. Obwohl er bei »Basic Instinct« jedes Mal wieder an die Psychologin damals auf dem Amt denken musste. Jedes Mal, wenn Sharon Stone beim Verhör vor Michael Douglas auf dem Stuhl saß und ihm ihre nackte Muschi zeigte.
    Die Psychologin, bei der er heute Vormittag gewesen war, rauchte ebenfalls. Er musste unwillkürlich grinsen, als er sich daran erinnerte, wie leicht sie es ihm gemacht hatte. Er wusste jetzt schon mehr über sie, als sie jemals ahnen würde. Die Schlampe hatte es eindeutig nicht anders verdient. Irgendjemand musste ihr dringend mal zeigen, wo ihre Grenzen waren, das hatte er bereits entschieden, als er den kalten Zigarettenrauch in ihrem Atem
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