Schwesterlein, komm tanz mit mir
Blick sah sie, daß Erins Zahnbürste, ihre Kosmetika und Cremes alle da waren.
Boxer wurde ungeduldig. «Sieht so aus, als war alles in Ordnung. Zufrieden?»
«Nein.» Darcy ging zurück ins Wohnzimmer und trat an den Arbeitstisch. Der Anrufbeantworter zeigte an, daß zwölf Anrufe gespeichert waren. Sie drückte auf die Rücklauftaste.
«Also, ich weiß nicht –»
Sie unterbrach Boxers Protest. «Erin wird vermißt. Haben Sie das begriffen? Sie wird
vermißt.
Ich werde mir dieses Band anhören, um festzustellen, ob es vielleicht einen Hinweis darauf enthält, wo sie sein könnte. Dann werde ich die Polizei anrufen. Vielleicht liegt sie bewußtlos in einem Krankenhaus. Sie können bei mir bleiben, aber wenn Sie zu tun haben, können Sie auch gehen. Also, was möchten Sie?»
Boxer zuckte die Achseln. «Wahrscheinlich ist nichts dagegen einzuwenden, daß ich Sie hier allein lasse.»
Darcy drehte ihm den Rücken zu, griff in ihre Handtasche und nahm ihr Notizbuch und einen Stift heraus. Sie hörte Boxer nicht hinausgehen, als das Band ablief. Der erste Anruf war am Dienstag abend um Viertel vor sieben gekommen. Jemand namens Tom Swartz. Bedankte sich für die Antwort auf seine Anzeige. Hatte gerade ein hervorragendes, preiswertes Restaurant entdeckt. Könnten sie sich dort zum Abendessen treffen? Er würde wieder anrufen.
Am Dienstag abend hatte Erin Charles North um sieben Uhr in einem Lokal in der Nähe des Washington Square treffen wollen. Um Viertel vor sieben war sie zweifellos schon unterwegs gewesen, dachte Darcy.
Der nächste Anruf war um fünf vor halb acht gekommen. Michael Nash. «Erin, es hat mich wirklich gefreut, Sie zu treffen, und ich hoffe, daß Sie diese Woche irgendwann Zeit haben, mit mir zu Abend zu essen. Falls Sie können, rufen Sie mich doch heute abend zurück.» Nash hatte sowohl seine private Telefonnummer als auch die seiner Praxis hinterlassen.
Am Mittwoch morgen begannen die Anrufe um neun Uhr. Die ersten paar waren belanglose Geschäftsanrufe.
Doch der von Aldo Marco von Bertolini ließ Darcys Kehle eng werden.
«Miss Kelley, ich bin enttäuscht, daß Sie unsere Verabredung um zehn Uhr nicht eingehalten haben. Es ist sehr wichtig, daß ich das Collier sehe und mich vergewissere, daß keine Änderungen in letzter Minute mehr nötig sind.
Bitte, rufen Sie mich sofort zurück.»
Dieser Anruf war um elf gekommen. Drei weitere Anrufe von Marco folgten, zunehmend gereizt und dringlich.
Außer Darcys eigenen Anrufen gab es noch einen, der mit dem Auftrag von Bertolini zu tun hatte.
«Erin, hier ist Jay Stratton. Was ist los? Marco nervt mich wegen der Halskette und macht mich haftbar, weil ich Sie zu ihm gebracht habe.»
Darcy wußte, daß Stratton der Juwelier war, der Erins Mappe zu Bertolini gebracht hatte. Er hatte Mittwoch abend gegen sieben angerufen. Darcy wollte das Band schon zurückspulen, doch dann hielt sie inne. Vielleicht wäre es besser, diese Anrufe nicht zu löschen. Sie schaute im Telefonbuch nach der Nummer des nächstgelegenen Polizeireviers. «Ich möchte jemanden als vermißt melden», sagte sie, als der Hörer abgenommen wurde. Man sagte ihr, sie müsse persönlich vorbeikommen. Solche Informationen über eine erwachsene Person im Vollbesitz ihrer Kräfte könnten telefonisch nicht entgegengenommen werden.
Ich gehe auf dem Heimweg dort vorbei, dachte Darcy.
Sie ging in die Küche und kochte Kaffee. Dabei bemerkte sie, daß die einzige Milchflasche ungeöffnet war. Erin begann den Tag mit Kaffee und trank ihn immer mit viel Milch. Boxer hatte sie am Dienstag nachmittag mit Lebensmitteln gesehen. Darcy schaute in den Abfalleimer unter der Spüle. Es gab ein paar leere Packungen, aber keine leere Milchflasche. Sie war gestern morgen nicht hier, dachte Darcy. Sie ist am Dienstag abend überhaupt nicht zurückgekommen.
Sie trug den Kaffee zum Arbeitstisch. In der obersten Schublade lag ein Terminkalender. Sie blätterte ihn durch, anfangend beim heutigen Tag. Für heute gab es keine Eintragungen. Gestern, Mittwoch, waren zwei Termine notiert: Bertolini, 10 Uhr; Bella Vita, 19 Uhr (Darcy und Nona).
In den vorherigen Wochen gab es Eintragungen über Verabredungen mit Männern, die Darcy unbekannt waren.
Gewöhnlich lagen sie zwischen siebzehn und neunzehn Uhr. Die meisten waren mit Treffpunkt notiert: O’Neal’s, Mickey Mantle’s, J. P. Clarke’s, Plaza, Sheraton … lauter Cocktailbars in Hotels und bekannte Lokale.
Das Telefon läutete. Laß es Erin
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