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Schwerelos

Schwerelos

Titel: Schwerelos
Autoren: Ildikó von Kürthy
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dein Leben sei viel zu langweilig. Oder als du ‹Ein liebender Mann› von Martin Walser gelesen hast und einen Monat der Meinung warst, unserer Beziehung würde Tiefe fehlen. Soll ich fortfahren? Sag mir lieber gleich, in welchem Film ich diesmal gelandet bin.»
    «Du bist gemein.»
    «Nein. Ich kenne dich nur besser, als dir lieb ist.»
    «Ist das ein Grund, zu heiraten oder nicht zu heiraten?»
    «Das werde ich ja dann an deinem Geburtstag erfahren. Das Ganze ist ja ohnehin eine Luxusdiskussion, solange wir keine Kinder haben.»
    Wie ich diese perfide Benutzung des Plurals hasste! «So lange wir keine Kinder haben.» Kinder! Gleich mehrere davon!! Pfui!!! Das dient nur dazu, den Druck zu verstärken. Meine biologische Uhr vor ein Megaphon zu stellen, damit ich karriereorientiertes Mannweib das Ticken endlich höre.
    Aber ich höre es doch. Sowieso und jeden Tag. Verdammte Biologie! Dieses unzeitgemäße Phänomen der sich frühzeitig verabschiedenden Fruchtbarkeit, das so gar nicht ins moderne Frauenleben passt.
    Aber ist es nicht eigentlich so, dass sich auch die Biologie nach und nach den sich verändernden Gegebenheiten anpasst? Sind wir etwa noch immer über und über behaart? Ich habe gelesen, dass unser kleiner Zeh biologisch gesehen keine Funktion mehr hat und deswegen in ein paar hunderttausend Jahren verschwunden sein wird. Ähnliches müsste doch eigentlich auch für die weiblichen Fettdepots gelten sowiefür brüchige Nägel, Frauen, die in Jeeps zum Shopping fahren, und Männer, die mit Rucksack ins Büro gehen, oder?
    Ich bin mir jedenfalls absolut sicher, dass die Evolution ein Einsehen haben und die Phase weiblicher Fruchtbarkeit gehörig nach hinten verlängern wird. Ich muss nur noch eine halbe Million Jahre durchhalten.
    Es wird doch nun wirklich jedem auffallen, wie absolut unzeitgemäß es ist, dass Frauen sich bis spätestens Mitte vierzig für oder gegen Kinder entscheiden müssen, während Männer noch jenseits der sechzig munter vor sich hin zeugen und dann Sätze sagen dürfen wie: «Für die Kinder aus meinen ersten drei Ehen hatte ich ja leider aus beruflichen Gründen viel zu wenig Zeit. Aber das hole ich jetzt alles nach, denn Kinder sind einfach das Wichtigste im Leben.»
    Die Biologie und Eva Herman sind so verdammt unemanzipiert, dass es eine Frechheit ist.
    Meine Güte, ich fühle mich ja schon wie eine Rabenmutter, ohne überhaupt Kinder zu haben. Kinder! Jetzt sage ich es ja schon selbst. Dieser bedrohliche Plural. Als hätte ich noch wie selbstverständlich die Zeit, mehrere zu kriegen. Ab fünfunddreißig zählst du zu den Spätgebärenden. Ab achtunddreißig ist die Wahrscheinlichkeit, dass du schwanger wirst, genauso hoch, wie in deinen Spaghetti Bolognese eine Rasierklinge zu finden.
    Und ich? Ich werde in einem halben Jahr siebenunddreißig Jahre alt. Siebenunddreißig! Und nach einem Blick auf die Falten rund um meine Augen möchte ich echt nicht wissen, wie meine Gebärmutter aussieht.
    «Alles bestens», hatte mein Frauenarzt neckisch und ungefragt bei meinem letzten Besuch gemeint. «Bei Ihnen spricht nichts dagegen, schwanger zu werden. Außer derPille natürlich.» Noch so einer, der findet, er müsse mich mal subtil darauf hinweisen, dass der Zug in Richtung Kleinfamilie bald abfährt.
    Aber was, wenn ich in dem Zug gar nicht sitzen will, sondern nur einsteige, um ihn nicht zu verpassen?
    Ich bin sechsunddreißig, und meine Eierstöcke leeren sich so hurtig wie die Wühltische bei Karstadt kurz nach Weihnachten. Monat für Monat lässt mein braver Körper ein Ei springen, das ungenutzt bleibt.
    Wie lange kann ich noch warten, bis ich als freie Lektorin Fuß gefasst habe? Bis ich mir einen Namen gemacht habe, den man in der Branche auch dann nicht vergessen wird, wenn ich für eine Weile hinter Wiege und Wickeltisch verschwände?
    Frank fragt mich immer wieder, warum ich nicht einfach alles lasse, wie es ist. Das sei das Vernünftigste. Und da hat er absolut recht.
     
    Ich bin seit sechs Jahren fest angestellt bei Kellermann & Stegele, einem Hamburger Verlag, der als höchst seriös gilt. «Spießig» und «sterbenslangweilig» trifft es aber auch ganz gut.
    Vier Jahre lang habe ich dort fast unbemerkt meine Arbeit im Sachbuchlektorat verrichtet. Meine Vorgesetzte Petra Kern kaufte Bücher ein wie «Bachblüten und ihre Bedeutung in der modernen Medizin» oder «Die beliebtesten Vornamen für Hunde».
    Ich bearbeitete die Bücher gründlich und gähnend und bewarb
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