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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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umgingen, wahrscheinlich leicht zu bedienen. Jane hatte keine Zeit, die Bedienung zu erlernen.
    Sie löste die Sperriegel an den unteren Walzrädern, schob das ganze Gerät neben das große Bett und warf es mitsamt Alex mit einem wütenden, heftigen Stoß aufs Bett.
    Die Brustgurte machten keine Schwierigkeiten. Bloß Klettverschlüsse. Die gepolsterten Schnappriegel an Arm- und Fußgelenken bereiteten schon größere Schwierigkeiten: ein komplizierter, mies konstruierter Flip-Flop-Schließmechanismus. Jane riß die Säge heraus und hatte alle vier Vorrichtungen in jeweils zehn Sekunden durchtrennt. Dabei ertönte ein Höllenlärm - ein Winseln und ein gedämpftes Rattern, und es roch durchdringend nach versengtem und geschmolzenem Plastik. Eigentlich kein besonders durchdringender Lärm, aber in einem lichtlosen Gebäude klang er höllisch laut. Jemand könnte nachsehen kommen. Jane tastete nach der Klebstoffpistole im Holster hinten am Gürtel.
    Als der letzte Gurt durchtrennt war, rutschte Alex von dem Gestell auf ihren Schoß. Sie drehte ihn auf den Rücken und hob seine Augenlider an. Kalt, so kalt wie eine Makrele, auch wenn seine fiebrige Haut so heiß war wie die rasierte Haut eines Laborkaninchens… Sie würde ihn nach draußen tragen müssen.
    Nun, als sie Alex das letzte Mal getragen hatte, war er ziemlich leicht gewesen. Damals war er fünf gewesen und sie zehn. Jane kniete sich aufs Bett und befestigte die Säge sorgfältig wieder am Gürtel unter dem Papieroverall. Und dann überlegte sie düster, wieviel Kraft sie das kosten würde.
    Jane wälzte sich vom Bett auf die Beine, packte ihren Bruder bei den schlanken Handgelenken und wuchtete ihn hoch.
    Er rutschte wie eine leere Hülse über die Laken. Jane rammte ihm die linke Schulter unter die Taille und schulterte ihn im Feuerwehrgriff, indem sie ihren linken Arm hinten um seine Knie schlang… Als sie ihn oben hatte, wurde ihr klar, daß ihre Kraft mehr als ausreichte. Ihr Bruder war nur noch Haut und Knochen.
    Mit lautem Gurgeln floß etwas aus ihm heraus und bespritzte die Rückseite ihrer Beine.
    Jane taumelte durch die Tür und auf den Korridor hinaus. Von oben vernahm sie das Geräusch von Schritten und in der Ferne halblaute verwunderte Stimmen… Sie stürmte über den Korridor zum Ausgang und zog mit der rechten Hand die aufgebrochene Tür auf. Als sie hindurchtaumelte, knallte der kraftlos herabbaumelnde Kopf ihres Bruders gegen den Türrahmen.
    Sie zog die Tür hinter sich zu, dann kniete sie auf dem Pflasterboden des Alkovens nieder. Alex lag in seinem schwarzen Krankenhaushemd wie knochenlos über ihrer Schulter. Sie ließ ihn aufs eiskalte Steinpflaster gleiten.
    Schwer atmend tastete Jane am Webgürtel herum und riß das Handy heraus. Sie drückte mit dem Daumen kleine leuchtende Ziffern.
    »Hallo«, meldete sich munter ihr Wagen. »Hier spricht Verfolgungsfahrzeug Charlie. Im Moment habe ich keine Passagiere, aber wenn Sie über eine ID verfügen, können Sie mir mündliche Anweisungen erteilen. Hinterlassen Sie andernfalls eine Nachricht nach dem Piepton.«
    Jane drückte die Ziffern 56033.
    »Hallo, Juanita«, antwortete der Wagen.
    »Hol mich ab«, keuchte Jane. »Du weißt, wo. Beeil dich!«
    Sie hatte ganz vergessen, wie schnell Charlie war, wenn er keine Passagiere an Bord hatte. Befreit von der Bürde, Menschenkörper vor zu großen Fliehkräften bewahren zu müssen, bewegte sich der Robotwagen wie eine wahnsinnige Fliege.
    Begleitet vom scharfen Zischen der Pneumatik landete Charlie nach einem Zwanzig-Meter-Sprung vor ihr auf der Straße. Dann bewegte er sich geräuschvoll seitlich über das Pflaster.
    »Hör auf, seitlich zu gehen«, befahl Jane. »Mach die Türen auf.« Sie preßte sich an die Wand des Alkovens, wuchtete Alex in der Hocke auf ihre noch unbenutzte und schmerzfreie Schulter und taumelte die Treppe hinunter. »Dreh dich um«, schnaufte sie.
    Charlie wirbelte auf seinen sich ruckartig hin und her bewegenden kolbenbetriebenen Radspeichen mit mikroprozessorgesteuerter Präzision herum.
    Jane schob ihren Bruder auf den Beifahrersitz, schloß die Tür und trat keuchend zurück. Ihre Knie zitterten so sehr, daß sie meinte, zu schwach zum Gehen zu sein.
    »Dreh dich noch mal um!« befahl sie. Charlie schwenkte auf der feuchten, unbeleuchteten Straße akkurat herum. Jane kletterte zittrig auf den Fahrersitz. »Und jetzt beeil dich!«
    »Erst, wenn du dich angeschnallt hast.«
    »Na gut, dann fahr eben mit mäßiger
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