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Schwere Wetter

Titel: Schwere Wetter
Autoren: Bruce Sterling
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hier noch zwei weitere mit naiven Gringos vollgestopfte florierende Krankenhäuser, außerdem ein grauenhaftes öffentliches Krankenhaus, eine große, infizierte Todeszone, die von den Überresten der mexikanischen Verwaltung äußerst schlecht gemanagt wurde. Jane beobachtete, wie ein mit einem abblätternden roten Kreuz beschrifteter ramponierter Robotlaster vorbeirumpelte. Dann schaute sie zu, wie ihre Hände zitterten. Ihre unlackierten Fingernägel zeigten eine elfenbeinerne Blässe und vibrierten nervös. Den gleichen Bammel hatte sie immer vor einer Sturmjagd. Jane war froh über diesen Bammel, die Angst und die durch ihre Nerven strömende Energie. Sie wußte, daß der Bammel wie Trockeneis wegschmelzen würde, wenn es endlich losging. Das hatte sie im letzten Jahr über sich gelernt. Es war gut, das zu wissen.
    Jane überprüfte ein letztes Mal ihre Ausrüstung. Klebstoffpistole, Dekupiersäge, Bleistifttaschenlampe, Handy, Brecheisen aus Keramik - alles mit Haken und Schnallen an ihrem Webgürtel befestigt und unter dem weiten Rettungsanzug aus Papier verborgen. Sie schloß den Reißverschluß des Anzugs über den kurzen Jeans und dem T-Shirt aus Baumwolle bis zum Hals. Sie streifte sich eine reinweiße Atemmaske über.
    Dann durchtrennte sie die Hauptstromleitung der Klinik.
    Oben am Strommast zischelte kurz Thermit, und im halben Stadtteil fiel das Licht aus. Jane fluchte hinter der Maske.
    Offenbar hatte es im städtischen Stromnetz von Nuevo Laredo in letzter Zeit Veränderungen gegeben. Jane Ungers erster Anschlag war alles andere als chirurgisch gewesen.
    »Nicht meine Schuld«, murmelte sie. Ständig lungerten mexikanische Starkstromtechniker herum; und die Leute stahlen auch städtischen Strom, das Netz wurde hier auf alle möglichen Arten illegal angezapft. - Die Stromklauer wurden diablitos genannt, auch wieder ein treffender Name, in Anbetracht der Tatsache, daß die ganze Welt dabei war, zum Teufel zu gehen. - Jedenfalls würde es keine große Sache sein, den Schaden zu beheben.
    Gregs Thermitbombe hatte tatsächlich funktioniert. Alle paar Wochen ließ Greg irgendwelche machohaften Andeutungen über seine militärische Vergangenheit fallen, in der er angeblich Anschläge gegen Gebäude durchgeführt hatte. Bis jetzt hatte Jane ihm nicht ganz geglaubt.
    Jane streifte Dekontaminationshüllen aus Papier über ihre Wanderstiefel. Sie zurrte die Stiefelhüllen über den Knöcheln fest, dann huschte sie über die dunkle, mit glänzenden Pfützen bedeckte Straße. Sie stieg die drei Stufen einer Steintreppe empor, betrat den nun stockdunklen Alkoven, in dem der Hintereingang der Klinik verborgen war, und musterte die Straße. Keine Autos, keine Menschen, keine sichtbaren Augenzeugen… Jane zog sich eine transparente Regenkapuze über den Kopf und verknotete sie. Dann riß sie eine Papiertüte auf und holte ein Paar fester OP-Handschuhe aus Plastik heraus.
    Sie klatschte mit der flachen Hand auf den stählernen Türrahmen.
    Die Kliniktür öffnete sich bebend.
    Jane hatte die Tür bereits geöffnet, als sie die Klinik verlassen hatte. Sie hatte ihre Eskorte zwei entscheidende Sekunden lang abgelenkt und das Tastaturschloß des Ausgangs geschickt mit einem raschen, geheimen Schuß Klebstoff blockiert. Jane hatte die Aerosoldose in der hohlen Hand verborgen gehabt, ein winziges Ding, kaum größer als ein Pistolenmagazin. Klebstoffspray war einer von Carols Lieblingstricks, das hatte Jane von ihr. Was Carol alles mit Klebstoffspray anstellte, grenzte schon an Hexerei.
    Ungeachtet des Stromausfalls wurde das Tastaturschloß noch immer über Batterie mit Energie versorgt - die Tür nahm fälschlicherweise bloß an, daß es funktionierte. Smarte Geräte waren smart genug, manchmal wirklich dämliche Schnitzer zu machen.
    Jane machte die Tür behutsam hinter sich zu. Im Innern des Gebäudes war es kühl, stockdunkel und still wie in einer Gruft. Das war gut, denn sie hatte mit den luftundurchlässigen Handschuhen, der Kapuze, dem Overall, der Atemmaske und den Stiefeln augenblicklich wie verrückt zu schwitzen begonnen. In ihren Achselgruben prickelte Angstschweiß, als würde sie dort tätowiert. Bullen - oder schlimmer noch, Privatschnüffler der Industrie - reichten heutzutage schon die winzigsten Beweismittel. Fingerabdrücke, Schuhabdrücke, ausgefallene Haare, ein Stoff-Fussel, ein lausiges Fitzelchen DNA…
    Jane griff durch einen Schlitz hinter der Gesäßtasche ihres Papieroveralls. Sie löste die
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