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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz
Autoren: Ulrich Ritzel
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er will nicht an sich schnuppern lassen.«
    »Vielleicht hat er sich seit Rom nicht mehr gewaschen«, meinte Dompfaff. »Damit es eine Weile hält.«
    Eugen S. Kaufferle, der Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht, war Leiter der Ulmer Niederlassung einer der Frankfurter Großbanken. Mit anderen Mitgliedern des Wirtschaftsrates der Staatspartei war er in der vergangenen Woche in Rom gewesen und auch im Vatikan empfangen worden. Jetzt löffelte er ungerührt seine Suppe, von Zeit zu Zeit einen scheinbar unbeteiligten Blick auf Welf und Dompfaff werfend.

    »Wie ist das eigentlich mit den guten Werken?«, bohrte Dompfaff nach: »Für den Segen des Heiligen Vaters werden Sie ja nicht nur einen Hosenknopf in den Klingelbeutel geworfen haben. Geht die milde Gabe auf Spesen?«
    Kaufferle schwieg eisern.
    »Meine Herren«, sagte Kugler und faltete die Serviette auseinander, »Sie sprechen von einer Materie, deren diskrete Behandlung Kirchen und Banken gleichermaßen heilig ist.«
    »Sehr aufschlussreich.« Unerwartet hatte Kaufferle sein Schweigen gebrochen. »Dass sich ein Anwalt über Diskretion lustig macht, sollte zu denken geben.« Er warf Kugler einen warnenden Blick zu. Dann legte er seinen Löffel in den Teller und lehnte sich zurück. Er fixierte den Anwalt. »Wollen Sie uns nicht lieber erzählen, welchen Halsumdreher Sie heute schon wieder auf die Menschheit losgelassen haben?«
    Plumpes Ablenkungsmanöver, dachte Kugler. »Lieber Herr Kaufferle«, antwortete er, »glauben Sie einem kleinen Strafverteidiger: Die wirklichen Halsumdreher kommen erst gar nicht zu mir. Die finden Sie auch nicht auf der Anklagebank vor dem Ulmer Landgericht. Die sind viel weiter oben, in ganz anderen Etagen.«
    »So viele Stockwerke hat das Justizgebäude doch gar nicht«, meinte Kaufferle.
    »Ich hab das ganz gut verstanden«, sagte Welf. »Kugler meint: hoch oben in gewissen Frankfurter Glastürmen zum Beispiel. Was für Halsumdreher man dort findet, müssten Sie doch selbst am besten wissen, Kaufferle.« Welf grinste vergnügt und funkelte Kugler von der Seite her an. Sie waren beide Anfang dreißig, ab und zu spielten sie miteinander Tennis, auch wenn Kugler dabei nie eine Chance hatte.
    »Ja, die Bauunternehmer«, seufzte Kaufferle gekränkt. »Die halten es bereits für eine Majestätsbeleidigung, wenn man sie nur zaghaft nach Sicherheiten zu fragen wagt.«
    Welf war nicht nur Architekt, sondern hatte vor zwei Jahren auch das Baugeschäft seines Schwiegervaters Haun übernommen.

    »Wenn die Banker doch nur nach Sicherheiten fragen würden, und zwar dort, wo es angebracht ist«, gab Welf zurück.
    Dompfaff fand es an der Zeit, wieder zur Konversation beizutragen. »Sie hatten doch heute Verhandlung in dieser Sache mit dem Brandanschlag?«, fragte er Kugler. »Es ging wohl um rüde Vernehmungsmethoden der Polizei, wenn ich meinen Gerichtsreporter richtig verstanden habe.«
    »Oh«, sagte Kugler, »Ihr Reporter war wirklich da und ist auch gar nicht eingeschlafen? Da darf ich aber gespannt sein.«
    Dompfaff legte den Kopf schief. »Das klingt ja nicht nach besonders guten Erfahrungen«, sagte er beiläufig.
    »Auch nicht nach schlechten«, antwortete Kugler. »Bisher muss ich immer in einer anderen Verhandlung gewesen sein, wenn das Tagblatt über einen Prozess berichtet hat.«
    Der Hauptgang, gedünsteter Waller im Wurzelsud, kam und half Dompfaff über die Verlegenheit hinweg, eine Antwort zu finden. Aber dann fing Welf wieder an. »Was ist mit diesem Brandanschlag?«
    Kugler, dem der Waller zu fett war, legte das Besteck zur Seite. »Mitte September ist draußen in dem Industriegebiet zwischen Wiesbrunn und Ulm-Nord der Wohncontainer einer italienischen Baufirma angezündet worden. Zum Glück war nur ein Arbeiter drin, der aber ziemlich schwer verletzt worden ist. Kein schöner Anblick, wirklich nicht.« Kugler verzog das Gesicht. »Ja, und der Nachtwächter von einem Möbelmarkt nebenan will in der Tatnacht zwei Skinheads gesehen haben, und an der Wiesbrunner Esso-Tankstelle hatte ein Glatzköpfiger am Tag zuvor einen Kanister Dieselöl abfüllen lassen. Die Polizei ist dann zu den üblichen Verdächtigen gefahren und hat tatsächlich einen der Skins bei sich zu Hause vorgefunden, schwer betrunken.«
    »Und das ist dein Mandant?«, fragte Welf.
    »Eben nicht«, sagte Kugler. »Dieser Polizeikommissar Berndorf hat den Betrunkenen in die Mangel genommen, bis der alles gestanden hat, was ihm von Berndorf in den Mund gelegt worden
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