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Schwemmholz

Schwemmholz

Titel: Schwemmholz
Autoren: Ulrich Ritzel
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Kriminalhauptkommissar Berndorf.
    »Wir haben Sie hergebeten«, sagte der Vorsitzende Richter Hagenberg, »weil die Verteidigung noch einige Fragen zum Geständnis des Herrn Veihle hat.« Noch ehe Kugler protestieren konnte, fügte der Richter eilig hinzu. »Zu Veihles widerrufenem Geständnis.«
    Rosdorfer begann damit, dass die Polizei seinen Mandanten Veihle in der Tatnacht aufgespürt habe. Ob der Herr Veihle denn vernehmungsfähig gewesen sei?
    »Ja«, sagte Berndorf knapp.
    »Könnten Sie das etwas genauer darlegen«, hakte Rosdorfer nach. »Hat Herr Veihle die Fragen verstanden, die Sie ihm gestellt haben? Hat er zusammenhängende Antworten geben können?«
    »Er hat die Fragen verstanden, und er hat geantwortet.«
    »Es muss Ihnen doch aufgefallen sein, dass mein Mandant ziemlich einen – nun ja, einen gehoben hatte, also ich meine: dass er sternhagelvoll betrunken war?«
    »Dass er getrunken hatte, war zu riechen«, sagte Berndorf. »Wir haben deshalb auch die Entnahme einer Blutprobe veranlasst.«
    »Und trotzdem haben Sie ihn vernommen?«
    »Wir hatten, Herr Anwalt, einen – Brandanschlag auf eine Wohnunterkunft aufzuklären, ein Kapitalverbrechen also«,
antwortete Berndorf, »mit einem Opfer in akuter Lebensgefahr, wir hatten Zeugenaussagen, die auf zwei Täter hinwiesen, und wir hatten einen Tatverdächtigen. Hätten wir Ihrer Ansicht nach warten sollen, bis der zweite Mann über alle Berge war?«
    »Die Fragen wollen Sie bitte mich stellen lassen, Herr Zeuge«, antwortete Rosdorfer pikiert. Aber dann fiel ihm keine mehr ein. »Für den Augenblick nicht.«
    Kugler schaltete sich ein: »Haben Sie nachgeholfen, dass der Herr Veihle hat vernommen werden können?«
    Berndorf sah ihn reglos an. »Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
    »Stimmt es, dass Sie ihm den Kopf unter den Wasserhahn gehalten und das kalte Wasser aufgedreht haben? Dass sie ihm heißen Kaffee eingeflößt haben?«
    »Es war nachts. Wenn ein Beschuldigter während der Vernehmung einen Kaffee will, bekommt er einen. Heiß war er sicher nicht. Aus den Automaten im Neuen Bau gibt es nur lauwarmen.« Im Saal kicherten Zuhörer.
    »Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, Herr Zeuge«, sagte Kugler bissig, »dass wir uns hier nicht zum Scherzen versammelt haben. Haben Sie nun dem Herrn Veihle den Kopf unter den Wasserhahn gehalten oder nicht?«
    »Es ist richtig, dass sich Herr Veihle erfrischen wollte. Selbstverständlich haben wir ihm das erlaubt. Wir haben es nicht als unsere Aufgabe betrachtet, ihm dabei den Kopf zu halten.«
    Abrupt, mit einer zornigen Geste drehte sich Rodek zu Kugler um. Der Protokollführer zuckte erschrocken zusammen. »Der verscheißert uns«, flüsterte Rodek. Kugler hob beruhigend die Hand. Rodek warf einen Blick auf den Protokollführer, dann wandte er sich wieder dem Saal zu.
    »Der lügt wie gedruckt«, sagte Veihle laut. »Fast erstickt bin ich.« Berndorf sah Veihle an. »Wenn das so war, hat man bei Ihrer Aufnahme in die U-Haft sicherlich Blutergüsse oder ähnliche Verletzungen festgestellt. War dem so?«
    »Nun machen Sie mal einen Punkt«, warf Kugler ein. »Da
genügt doch ein Wort von Ihnen, und nichts dergleichen wird festgestellt.«
    »Wenn ich das richtig verstehe, werfen Sie nicht nur mir, sondern auch den Verantwortlichen der Haftanstalt pflichtwidriges Verhalten vor. Aber das müssen Sie schon mit diesen selbst diskutieren. Ich kann Ihnen zu den Vorgängen in der U-Haft keine Angaben machen.«
     
    Vielleicht hat es doch etwas gebracht, sagte sich Kugler, als er nach dem Ende der Vormittagsverhandlung mit raschen Schritten vom Justizgebäude über das Hafenbad zur »Walser Post« ging. Dass Berndorf ihm den Gefallen getan und ihn abgebürstet hatte, war doch mehr, als man hatte erhoffen können. So war dem Gericht wieder einmal in Erinnerung gerufen, warum der Kommissar als arrogant galt. Kein Richter mag einen arroganten Zeugen.
    Zum Meeting kam er wieder einmal zu spät. Im Nebenzimmer der »Walser Post« saßen die Rotarier bereits bei einer Lauchcreme-Suppe. Für Kugler fand sich noch ein Platz an der Schmalseite des Tisches zwischen dem »Tagblatt«-Chefredakteur Dompfaff auf der einen und dem Architekten Welf auf der anderen Seite. Die beiden waren in ein angeregtes Gespräch vertieft, dessen Gegenstand – ein Mann mit kurz geschorenem Haar und einem blassen, vollen Gesicht – neben Dompfaff saß. »Wir versuchen gerade, den Geruch der Heiligkeit an ihm festzustellen«, erklärte Welf. »Aber
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