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Schweinsgalopp

Schweinsgalopp

Titel: Schweinsgalopp
Autoren: Terry Pratchett
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nicht zu fürchten. Außerdem war es ganz angenehm, die Stimmen spielender Kinder zu hören, vorausgesetzt, man wahrte eine sichere Distanz, so daß man nicht hörte, worüber die Jungen und Mädchen sprachen.
    Für später stand Unterricht auf dem Programm. Damit klappte es jetzt weitaus besser, nach der Verbannung von Lesebüchern über Gummibälle und Hunde namens Fiffi. Susanne hatte es geschafft, Gawains Interesse an den Feldzügen des General Taktikus zu wecken, die angemessen blutig waren. Ein anderer, noch wichtigerer Aspekt war, daß derartige Lektüre als zu schwierig für Kinder in Gawains Alter galt. Inzwischen verdoppelte sich sein Wortschatz mit jeder Woche, und er brachte es fertig, bei ganz normalen Gesprächen Ausdrücke wie »Eviszeration« zu benutzen. Welchen Sinn hatte es, Kindern beizubringen, sich wie Kinder zu verhalten? In dieser Hinsicht hatten sie ohnehin eine natürliche Begabung.
    Nach einer Weile nahm Susanne erschrocken zur Kenntnis, daß sie mit den Kindern gut umgehen konnte. Sie fragte sich argwöhnisch, ob das vielleicht in der Familie lag. Ein weiteres Indiz dafür war, daß ihr Haar verdächtig leicht zu einem Knoten gebunden werden konnte. Ließ sich daraus der Schluß ziehen, daß sie für den Rest ihres Lebens solche Arbeit verrichten mußte?
    Es war die Schuld ihrer Eltern. Obwohl sie natürlich kein solches Resultat angestrebt hatten. Das hoffte Susanne jedenfalls.
    Sie waren stets bestrebt gewesen, ihre Tochter zu schützen, sie von den anderen Welten fernzuhalten, sie von einer Sphäre abzuschirmen, die gemeinhin als okkult galt und… Nun, letztlich lief es darauf hinaus, daß Susanne so wenig wie möglich mit ihrem Großvater zu tun haben sollte. Sie gewann den Eindruck, daß durch diesen Umstand in ihrem Leben irgend etwas… verbogen war.
    Man konnte Eltern natürlich nicht vorwerfen, daß sie ihre Kinder schützten – das war eine ihrer Aufgaben. Außerdem gab es in der Welt so viele enge Kurven, daß man keinen Platz in ihr fand, wenn man nicht ein wenig verbogen war. Susannes Vater und Mutter waren stets gewissenhaft, gewährten ihr ein gutes Zuhause und sogar eine ordentliche Erziehung.
    Erst später merkte sie, daß mit der Erziehung auch die Bildung kam. Das bedeutete zum Beispiel: Wenn jemand das Volumen eines Kegels berechnen mußte, konnte er auf Susanne Sto-Helit zählen. Wer sich nicht an die Feldzüge des General Taktikus oder die Quadratwurzel von 27,4 erinnerte, durfte hoffen, von Susanne Antwort zu bekommen. Wenn man jemanden brauchte, der in fünf Sprachen über Haushaltsgegenstände und andere Objekte reden konnte, die in Geschäften verkauft wurden, stand Susanne ganz vorn in der Kandidatenschlange. Erziehung und Bildung waren ganz einfach.
    Die Probleme begannen erst mit dem Lernen von gewissen Dingen.
    Eine gute Erziehung zu bekommen… Damit verhielt es sich so wie mit einer ansteckenden Geschlechtskrankheit. Sie machte einen für viele Jobs ungeeignet, und gleichzeitig verspürte man den Drang, sie weiterzugeben.
    Susanne wurde Gouvernante. Das war eine der wenigen Tätigkeiten, die für eine gebildete Frau in Frage kamen. Und sie gewöhnte sich schnell daran. Sie hatte folgendes geschworen: Wenn sie sich jemals dabei überraschen sollte, wie sie mit einem Schornsteinfeger auf Dächern tanzte, wollte sie sich mit ihrem eigenen Regenschirm erschlagen.
    Nach dem Tee las sie den Kindern eine Geschichte vor. Sie mochten ihre Geschichten. Die im Buch waren eher langweilig, aber Susannes Versionen weckten ihr Interesse. Sie übersetzte und redigierte beim Lesen.
    »…und dann hackte Jack auch noch den Bohnenstengel durch, fügte den bereits erwähnten Vergehen – Diebstahl, Verführung und unbefugtes Betreten – noch Mord und ökologischen Vandalismus hinzu, aber er kam damit durch und lebte glücklich und zufrieden, ohne die geringsten Gewissensbisse. Was beweist, daß man sich als Held praktisch alles erlauben darf, denn niemand wagt es, unangenehme Fragen zu stellen. Und jetzt…« Susanne schloß das Buch. »… wird’s Zeit fürs Bett.«
    Die frühere Gouvernante hatte Gawain und Twyla ein Gebet beigebracht, das die Hoffnung ausdrückte, irgendein Gott möge die Seele der Kinder annehmen, falls sie im Schlaf sterben sollten – vermutlich hatte Susannes Vorgängerin sich das gewünscht.
    Sie nahm sich vor, diese Frau einmal zur Rede zu stellen.
    »Susanne?« erklang Twylas Stimme irgendwo unter der Decke.
    »Ja?«
    »In der letzten Woche haben
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