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Schweinsgalopp

Schweinsgalopp

Titel: Schweinsgalopp
Autoren: Terry Pratchett
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Zufriedenheit. Schmutzige Arbeit hingegen sollte keinen Spaß machen. Durch so etwas kam man ins Gerede.
    Andererseits eignete sich Herr Kaffeetrinkens korkenzieherartiger Verstand gerade für diese Sache. Wenn er keinen Erfolg erzielte… Das war wohl kaum Witwenmachers Schuld.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Schreibarbeiten zu. Wirklich erstaunlich, wie schnell sich das Zeug ansammelte. Man mußte irgendwie damit fertig werden. Nun, wenigstens waren es keine Mörder…
    Es klopfte an der Tür. Witwenmacher schob die Dokumente beiseite und lehnte sich zurück.
    »Herein, Herr Kaffeetrinken«, sagte er. Es konnte nie schaden, einen Besucher zu beeindrucken.
    Ein Gildenbediensteter, der ein Teetablett auf einer Hand balancierte, öffnete die Tür.
    »Ah, Carter«, sagte Lord Witwenmacher, ohne sich seine Überraschung anmerken zu lassen. »Stell es dort drüben auf den Tisch, ja?«
    »Sehr wohl, Herr«, erwiderte Carter. Er drehte sich um und nickte. »Ich gehe und hole noch eine Tasse, Herr.«
    »Was?«
    »Für deinen Gast, Herr.«
    »Welchen Gast? Oh, wenn Herr Kaffeetr…«
    Er unterbrach sich und drehte den Kopf.
    Ein junger Mann saß auf dem Kaminvorleger und spielte mit den Hunden.
    »Herr Kaffeetrinken!«
    »Es heißt Kaf-feh-trin-ken«, erwiderte der junge Mann, und seine Stimme klang dabei ein wenig vorwurfsvoll. »Alle sprechen den Namen falsch aus.«
    »Wie hast du das angestellt?«
    »Oh, es war nicht weiter schwer. Allerdings habe ich mich bei den letzten Metern leicht verbrannt.«
    Einige Rußbrocken lagen auf dem Kaminvorleger. Witwenmacher erinnerte sich nun daran, daß er sie fallen gehört hatte, ohne dem Geräusch Beachtung zu schenken. Niemand konnte das Arbeitszimmer durch den Kamin erreichen – dafür sorgte ein schweres, festsitzendes Gitter am Ende des Rauchabzugs.
    Kaffeetrinken schien seine Gedanken zu lesen. »Hinter der alten Bibliothek gibt es einen vergessenen Kamin, und die Rauchabzüge sind unter den Gittern miteinander verbunden. Es war kaum mehr als ein Spaziergang, Herr.«
    »Ach?«
    »Ja, Herr. Ein Kinderspiel.«
    Witwenmacher nickte. Alte Gebäude waren meist von den Rauchabzügen zugemauerter Kamine durchzogen – von dieser Tatsache erfuhr jeder Assassine schon zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn. Und dann vergißt man es wieder, dachte Witwenmacher. Normalerweise zahlte es sich auch aus, Vorgesetzte zu beeindrucken – das hatte er ebenfalls vergessen.
    »Die Hunde scheinen dich zu mögen«, sagte er.
    »Mit Tieren komme ich gut zurecht, Herr.«
    Kaffeetrinkens Gesicht war offen und freundlich. Besser gesagt: Es lächelte dauernd. Doch der positive Effekt wurde für die meisten Leute durch den Umstand ruiniert, daß der junge Mann nur ein Auge hatte. Das andere war irgendeinem rätselhaften Zwischenfall zum Opfer gefallen und durch eine Glaskugel ersetzt worden. Woraus sich ein… beunruhigender Effekt ergab. Das andere Auge – jenes Exemplar, das hier als »normal« bezeichnet werden soll – erschien Witwenmacher noch viel seltsamer. Eine so kleine und scharfe Pupille hatte er nie zuvor gesehen. Kaffeetrinken schien die Welt durch ein winziges Loch zu beobachten.
    Er stellte fest, daß er wieder hinter dem Schreibtisch stand. Auch das war typisch für Kaffeetrinken – man fühlte sich immer besser, wenn man etwas zwischen ihm und sich selbst wußte.
    »Tiere gefallen dir, nicht wahr?« fragte er. »Ich habe hier einen Bericht, in dem es heißt, daß du Sir Georges Hund an die Decke genagelt hast.«
    »Er durfte nicht bellen, während ich arbeitete.«
    »Andere Leute hätten ihn betäubt.«
    »Oh.« Ein oder zwei Sekunden lang wirkte Kaffeetrinken betrübt, dann erhellte sich seine Miene wieder. »Aber der Vertrag ist erfüllt, Herr. Daran kann kein Zweifel bestehen, Herr. Ich habe Sir Georges Atem wie vorgesehen mit einem Spiegel überprüft. Darauf weise ich in meinem Bericht ausdrücklich hin.«
    »Ja, in der Tat.« Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kopf des Mannes etwa einen Meter neben dem Rest des Körpers gelegen. Witwenmacher empfand tiefes Unbehagen bei der Vorstellung, daß Kaffeetrinken so etwas vielleicht nicht für ungewöhnlich hielt.
    »Und… die Bediensteten…?« fragte der Gildenpräsident.
    »Ich konnte nicht zulassen, daß sie einfach hereinplatzten.«
    Witwenmacher nickte, fühlte sich halb hypnotisiert von dem Glasauge und der winzigen Pupille. Nein, die Bediensteten durften nicht einfach hereinplatzen. Ein Assassine stellte sich
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