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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth
Autoren: Amanda Sthers
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Mama versuchte herauszufinden, wo diese berühmte Konferenz wohl stattfinden sollte. Sie war es gewesen, die dir das Flugticket nach New York geschenkt hatte. Deine Zimmernachbarin an der Universität bestätigte: du seist am Vorabend nach New York aufgebrochen.
    Und ich, ich dachte, wenn du sterben würdest, würde mir Papa ganz sicher vergeben und dann wäre etwas in meinem Leben ein Stück einfacher.
    Du weißt, Annabelle, wie sehr ich dich liebe. Aber dieser Gedanken wollte einen Teil von mir, den ich hasse, nicht loslassen.
    Wie du siehst, tragen wir alle einen Schatten mit uns herum. Lass uns ihn in diesen Briefen austauschen und uns dann von ihm befreien,
    David

Harry Rosenmerck an Rabbi Moshe Cattan
    Nazareth, 26. April 2009
    Lieber Rabbi,
    ich war gestern im Zentrum von Nazareth und habe meinen alten Freund Hassan getroffen, dann sind wir dort hängengeblieben und haben zusammen Wasserpfeife geraucht.
    Sonst wäre ich wahrscheinlich bei Ihnen vorbeigekommen und dann hätten wir zusammen gelacht und Ihre »Bkeila« auf Ölbasis probiert. Was ist das überhaupt? Ich weiß noch nicht einmal, wie man das ausspricht.
    Da ich nicht zu Ihnen hinkomme, werde ich Sie in meinen Briefen zum Lachen bringen und es nicht einmal mitbekommen. Ihr Lachen wird vielleicht in einem leeren Raum hallen und dann wird es sein, als wäre es nie passiert.
    Haben Sie schon das neue Reisebüro gesehen, das von einem Ihrer finsteren Mitbrüder geführt wird? Es heißt »Memorial Tour«.
    Es handelt sich nicht um ein Konzert der als Beatles oder als Michael Jackson verkleideten Lubawitscher, sondern um organisierte Fahrten zu den Hochburgen des Leidens in Polen, Deutschland, Österreich oder in der ehemaligen Tschechoslowakei. Es gibt eine Pauschal-Busreise Auschwitz-Birkenau-Theresienstadt in drei Tagen. Oder ein etwas luxuriöseres Angebot, das einem ermöglicht, sich mehr Zeit fürs Weinen zu nehmen. Mit vier Konzentrationslagern in drei Tagen, danach ein Erlebniswochenende in Prag mit Besuch der alten Synagoge und des Kafka-Hauses, koschere Verköstigung inklusive.
    Woody Allen müsste nur seine Kamera vor dem Laden aufstellen.
    Das Schlimmste ist, dass diesem Kerl gar nicht bewusst ist, wie anstößig sein Reisebüro ist. Er hat eine seiner Prozac-Reisen direkt vor meinen Augen einem schuldbeladenen (oder bei der Gelegenheit mit Schuld beladenen) Goi-Ehepaar verkauft. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon die Sonnenhüte, die er zusammen mit seinen Pauschalreisen verkaufen könnte: »I’ve been to Auschwitz«.
    Ich habe mir den ganzen Abend einen Spaß daraus gemacht, dafür alternative Namen zu finden:
    Auschtrip
    Sommer-Konzentrations-Camp
    Schwitzen Sie’s aus
    ShoAdventures
    oder, etwas intellektueller, Birke-Know-How.
    Jetzt mal ganz ehrlich, Herr Rabbi: Statt Ihre Tage damit zu verbringen, mir wegen ein paar Scheiben Schweinespeck ein schlechtes Gewissen machen zu wollen, sollten Sie diesem Zirkus ein Ende setzen.
    Und noch etwas: Ich habe mich von meinem Anwalt, Maître Buchmann, beraten lassen und kann Ihnen mitteilen, dass Nazareth einen Sonderstatus besitzt.
    Das Gesetz von 1962, das die Aufzucht von Schweinen in Israel verbietet, aber ihre Schlachtung erlaubt, hat in einigen in dem Gesetz genannten arabischen Ortschaften aufgrund ihrer großen Christen-Dichte keine Gültigkeit. Dies gilt zum Beispiel für Kfar-Yassin, Hablin in Galiläa oder eben … Nazareth.
    Insofern interessieren mich Ihre Drohungen nur als Gesprächsstoff für unsere Korrespondenz, die mir lieb geworden ist, aber gegen meine kleinen rosa Tierchen haben Sie nichts in der Hand.
    Sie erhalten diesen Brief wahrscheinlich am Morgen des Shabbats, den Sie in Frieden erleben mögen.
    In aller Freundschaft,
    Harry Rosenmerck

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 27. April 2009
    Betreff: Von deiner Tochter
    Liebe Mama,
    ich bin seit sieben Jahren in Therapie, vielen Dank. Du hast mir ja oft genug gesagt, wie sehr mich der Fortgang und dann die Rückkehr meines Vaters traumatisiert haben.
    Ich wundere mich nur, dass du mir nicht zum hundertsten Mal diese ödipale Episode in Erinnerung gerufen hast, in der ich in meine Schuhe geschissen habe, um unser Wiedersehen zu feiern.
    Und natürlich, welch eine Karikatur, der »alte« Prof, mit dem ich geschlafen habe, der so alt ist wie er.
    Was dich am meisten
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