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Schweine zuechten in Nazareth

Titel: Schweine zuechten in Nazareth
Autoren: Amanda Sthers
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zum Friedhof von Herzliya begleitet und bin in ihrer Nähe geblieben.
    Ich werde Ihnen sagen, was ich denke. Ich denke, dass Israel wegen oder dank dieses Schreckens, den man Shoah nennt, gegründet wurde. Damit die Juden einen Ort, einen einzigen, bekommen, an dem man ihnen nicht sagt, sie seien dort nicht zu Hause. Um nicht zu Tausenden zu sterben, weil man einen bestimmten Namen trägt oder weil einem ein Stückchen Penis fehlt. Ich denke, wenn man es zulässt, dass man darüber Witze macht, dann wird die Shoah nach und nach in den Schmerz der Geschichte gleiten. Und wenn diese Grausamkeit Teil der großen Geschichte geworden ist, wird man sich nicht mehr erlauben können, bestimmte Taten im Namen Israels zu dulden. Keine Mauern mehr. Keinen Grund mehr für diesen jüdischen Staat. Keine Schweine auf Pfahlkonstruktionen. Keine gedemütigten Palästinenser an den Grenzübergängen. Keine Entbehrungen für unsere Nachbarn, während unsere Jugend sich den Bauch vollschlägt. Keine Gewehre im Rücken der Mehrheit. Keine Religionszugehörigkeit in unseren Pässen. Aber auch kein Grund mehr, dass unsere Kinder Gefahr laufen, zu sterben, weil sie das Pech hatten, in den falschen Bus zu steigen, um im falschen Land zur Schule zu gehen. Keine Entschuldigungen mehr für die Absurdität unserer Leben, unserer Situation. Ich sag es Ihnen, Herr Rabbi, wenn wir ein paar Witze über die Shoah reißen, wird kein Mensch mehr auf Godot warten. Wäre das so schlecht? Ich weiß es nicht. Man müsste es sehen. Wenn man die Erinnerung wach hält, verhindert dies, dass die Geschichte sich wiederholt? Sicherlich nicht. Die Erinnerung ist dazu da, um vergessen zu werden. Die Geschichte ist dazu da, um wiederholt zu werden. Die Geschichte der Juden, die der Frauen, die der Araber, die der leidenden Menschen, die von Rotkäppchen. Und die Großmutter hat immer, immer, spitze Zähne.
    Dr. Harry Rosenmerck

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Datum: 1.  Mai
    Betreff: Your son is rich!
    Liebe Mutter,
    ich weiß, du willst es richtig machen, wenn du mir zu jedem jüdischen Fest diese kleinen Geldgeschenke überweist. Eine Überweisung zu Pessach? Nur mal am Rande: Das war letzten Monat!
    Mach eine Therapie! Du musst nicht dafür bezahlen, um mir klarzumachen, dass du Jüdin bist. Auch wenn Papas Familie dich immer als Konvertitin betrachtet hat, für mich warst du immer meine Mutter.
    Die Religion hat für mich nur wenig Bedeutung. Sicher, sie ist ein Quell der Kreativität und nimmt in meinen Schriften viel Raum ein. Die jüdische Religion prangert alles an, was die Menschheit an besten und schlimmsten Dingen zu bieten hat. Und weißt du was, ich fühle mich nicht als Jude, ich bin Jude. Das ist ein großer Unterschied.
    Ich bin blass, ich trage eine Brille, ich bin homosexuell, ich bin klein und ich bin Jude. Ich muss es ertragen. Also mache ich etwas daraus. Die Schläge, die ich in der Schule bekommen habe, meistens dafür, Jude zu sein, und seltener dafür, klein und kurzsichtig zu sein, verwandle ich in Worte. Um den Versuch zu wagen zu verstehen. Der Judaismus gefällt sich als eine sehr geschlossene Gesellschaft. Eine Religion, die nicht bekehrt. Welch ein großartiges Konzept! »Wir werden keine Unsummen ausgeben, um zu missionieren, Schiffe zu entsenden und widerspenstige Eingeborene zu töten, nein, lasst uns elitär sein!«
    Mitgliedsausweis: keine Vorhaut. Man muss eine jüdische Mutter haben. Grässlichen kulinarischen Geschmack. Usw.
    Und dann wundert man sich noch, dass man sich da draußen die Frage stellt, was die Mitglieder dieser geschlossenen Gesellschaft so treiben, die in dem Ruf stehen, Humor und Geld zu haben (ein guter Marketing-Gag, neunzig Prozent haben weder das eine noch das andere) und die außerdem nicht begreifen, warum man sie nicht verabscheuen sollte.
    Um es zusammenzufassen, Mutter, du brauchst deinen Pessach-Beitrag nicht zu zahlen. Ich bin kein Inkasso-Unternehmen. Und ich verdiene unverschämt hohe Summen, unter dem Vorwand, die Worte in eine amüsante Reihenfolge zu bringen. Gib Annabelle das Doppelte oder kauf dir Kleider oder lass dir deine Brüste machen.
    Lieber Gruß,
    David
    P. S. Ich kann Dienstag nicht mit dir zu Abend essen. Ich bin bei einem glatzköpfigen Verleger eingeladen, dessen sehr scharfsinnige Frau in mich vernarrt ist.

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