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Schwein gehabt

Schwein gehabt

Titel: Schwein gehabt
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Hasstiraden kein Gehör fanden. Allerdings zählten Familientreffen mit der gesamten Klimkesippe nicht zu meinen fünftausend Lieblingsbeschäftigungen.
    Ich verließ die Firma und fuhr ins ChaCha , mein Stammlokal im Essener Süden. Als ich den Laden betrat, spielte die Jukebox gerade Clocks von Coldplay , und das perlende Klavier zu Chris Martins schmeichelnd nörgelnder Stimme ließ mich augenblicklich jeden beruflichen und privaten Stress vergessen. Musikalisch lagen meine Vorlieben eindeutig bei Hardrock und Punk, was jedoch nicht bedeutete, dass ich gut gemachte Popmusik oder filigrane Indieklänge verachtete. Wenn schon keine harte Mucke, dann mussten die Songs zumindest Seele haben. Außerdem lebte ich gesund und Jazzgedudel, Hiphop und R&B erzeugten Ohrenkrebs.
    Ich ließ mich an der Theke nieder. Der Eigentümer begrüßte mich freudestrahlend, wusste er doch, wie hoch mein Anteil am Umsatz war. Gerd Klatt hatte in den Glanzzeiten des Neuen Marktes ein Internet-Unternehmen erfolgreich an die Börse geführt und sich dann im hohen Alter von zweiunddreißig zur Ruhe gesetzt, um sich nur noch seinen Hobbies zu widmen.
    Das ChaCha war eines davon. Das Lokal bestand aus zwei Hälften. Selbst passionierter Billardspieler — beim Dreiband konnten ihn nur die wenigsten schlagen — , hatte er in der rechten Räumlichkeit drei Billardtische aufgestellt. Daneben standen einige rustikale Holztische und — bänke, wo man sich nach den Queueschlachten seine Bierchen genehmigen und an kleinen Snacks laben konnte. Für Billardmuffel gab es noch den Kicker und den Dartautomaten .
    Die ovale Theke trennte den Sportbereich von dem Part der Kneipe, an dessen lichtbestrahlten Stehtischen tagsüber Jugendliche ihre Alcopops konsumierten und abends ältere Herrschaften — also Leute meines Alters — über Gott und die Welt sinnierten. Regelmäßig suchten auch Fußballer von Rot Weiß Essen die Kneipe auf, um mit Klatt die diesjährigen Aufstiegschancen in die Zweite Bundesliga zu diskutieren. Gerd war ein fanatischer Anhänger und hatte noch nie ein Heimspiel seines Vereins verpasst.
    »Schon Feierabend? Sonst kommst du doch erst eine Stunde später«, scherzte er.
    »Es gibt was zu feiern. Ich habe geerbt .« Ich entzündete eine Camel und blies genüsslich einen Rauchkringel in die ohnehin verqualmte Luft.
    »Ich schließe aus deiner überschäumenden Laune, dass es sich entweder um mehrere Millionen oder eine Goldader in Alaska handelt .«
    »Noch besser. Ein Bauernhof in Buldern mit einer Menge Viehzeug, für das ich sorgen soll. Trink ein Pils mit. Heute geht alles auf meine Rechnung. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich mich das letzte Mal so amüsiert habe .«
    »Wo zum Teufel liegt Buldern ?« , fragte Gerd
    »Irgendwo im Münsterland, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich da hinziehe? Eher würde ich auf einer Bohrinsel anheuern. Zum Wohl!«
    Wir ließen die Gläser kräftig klirren.
    »Ich habe schon öfter drüber nachgedacht, aufs Land zu ziehen«, meinte Gerd nachdenklich.
    »Ach, hör auf .«
    »Doch, im Ernst. Da lebst du nicht so anonym wie in Essen. Im Dorf kennt jeder jeden .« Ich war verblüfft. Normalerweise betätigte sich Gerd nicht als Verkäufer alter Hüte. Und dieser Hut — das Dorf als große Familie — war so alt, dass er schon zu Staub zerfallen sein musste. »Allerdings würde ich nur in die direkte Nähe einer Stadt ziehen. Die Auswahl an Geschäften und Freizeitangeboten möchte ich doch nicht missen. Aber du hast Recht. Für dich wär das nichts .«
    Als er seinen Monolog beendet zu haben schien, prostete ich ihm erneut zu, als hätte er mich bereits erleuchtet. Mittlerweile füllte sich das ChaCha . Unter den Neuankömmlingen waren auch einige Bekannte, die den Feierabend einläuteten. Ich scharte sie alle um mich, und unsere Gesprächsthemen waren Buldern und meine Karriere als Landwirt. Alle hatten einen Heidenspaß, besonders die Jungs, da alle Striche auf meinem Deckel landeten.
    Ich schilderte gerade meine Expansionspläne für die Kaninchenzucht, als mein Handy klingelte. Bettina.
    »Wo bleibst du denn ?« , tönte es vorwurfsvoll aus dem Telefon. »Es ist schon gleich neun und wir warten auf dich .«
    Bei der angeregten Unterhaltung hatte ich doch glatt die Zeit vergessen.
    »Ich bin noch beim Kunden .«
    »Ist aber ganz schön laut, der Herr Kunde«, schaltete sich Simone ins Gespräch ein. Ich hasste Telefone, die sich auf
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