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Schweigfeinstill

Schweigfeinstill

Titel: Schweigfeinstill
Autoren: Friederike Schmöe
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sagte er, während er mich einließ. Er trug einen seidenen Kimono und drunter Jeans. Ich hatte ihn im Verdacht, dass er schon länger wach war, sich aber meinetwegen den Kimono übergeworfen hatte: Kindchen, ich stehe spät auf, du weißt ja, ich arbeite lang. Ein Ritual.
    »Tut mir leid, dass ich dich zu nachtschlafender Zeit störe.«
    Carlo hob die sorgfältig gezupften Augenbrauen.
    »Willst du Kaffee?«
    »Ja, gern. Und was zu essen. Ich habe heute außer einem Pizzaviertel noch nichts in den Magen bekommen.«
    Carlo schraubte eine Dose Wiener Würstchen auf und setzte Wasser zu. Aus einer gigantomanischen Thermoskanne goss er mir dampfenden Kaffee in die Tasse.
    »Schwarz?«
    »Schwarz.«
    Dankbar nahm ich den Kaffee, schob ein Buch beiseite und setzte mich. Ich liebte seine Küche. Den schwarz-weiß gefliesten Küchenboden, die ledergepolsterten Teakstühle, die Schwarzweißfotos von Florenz, Genua und Venedig an den Wänden. Carlo war so wenig Italiener wie ich, aber er liebte das Land, lernte seit Jahren mit Begeisterung Italienisch und trieb sich auf irgendwelchen Italo-Plattformen im Internet herum. Carlo war computermäßig ziemlich begabt. Sprachlich war er damit allerdings nicht weit gekommen. Konnte nicht mal eine Pizza bestellen.
    »Carlo, mit wem bin ich gestern heimgegangen?«
    Er runzelte die Stirn.
    »Allein. Das heißt, Juliane hat dich heimgefahren.« Er brauchte nicht nachzudenken. Es war sein Job, genau zu beobachten.
    »Sicher?«
    Ich wollte ihn mit meiner Nachfrage keinesfalls beleidigen. Er passte auf mich auf wie eine Mutter auf ihren Säugling, und es würde ihn in seiner Ehre kränken, wenn ich seine Fürsorglichkeit infrage stellte.
    »Kindchen«, sagte Carlo, schenkte sich selbst Kaffee ein und gab Zucker in die Tasse. »Du hast bestimmt einen Grund, weshalb du das fragst.«
    Ich erzählte. Von dem Gefönten in meiner Küche. Den verschwundenen Speicherkarten und dem geklauten Rechner.
    »Das ist bitter.«
    »O ja, bitterer geht’s nicht.« Seltsamerweise wurde mir erst jetzt das ganze Ausmaß des Diebstahls bewusst. Nicht nur, dass ich meine Daten nicht mehr hatte. Schlimmer noch, nun war ein anderer im Besitz meiner Gedanken! »Verflucht, Carlo, ich habe alles auf diesem Rechner und diesen Speicherkarten. Alles. Mein ganzes neues Projekt.«
    Carlo legte die Würstchen in das siedende Wasser. »Du erzählst mir besser nicht, worum es dabei geht, wenn es ein ganz großes Projekt ist.«
    »Nein. Lieber nicht.« Dankbar registrierte ich, dass Carlo die Diskretion in meinem Job ohne Wenn und Aber akzeptierte.
    Er stellte zwei Teller auf den Tisch, Besteck, Baguette, Senf. Ich wusste selbst nicht, warum ich mich aufregte. Es gab da ja noch mein Versteck. Allenfalls die Arbeit von drei, vier Tagen und meine Aufzeichnungen vom letzten Gespräch waren dahin. Schlimm, aber keine Katastrophe. Mein Laptop war mit einem Passwort geschützt, auch die USB-Sticks. Dennoch konnte ein cleverer Hacker an die Daten ran. Wenn man es schlau anstellte, waren alle Rätsel zu knacken. Auch die Enigma war entschlüsselt worden.
    Ich beschrieb Carlo meinen unangemeldeten Besucher.
    Er legte die Würstchen auf die Teller. »Der war im Piranha. Trank einen Pisco Sour. Und dann den ganzen Abend alkfreies Bier.«
    »Kennst du ihn?«
    »Nie gesehen.«
    Ich nahm mein Würstchen zwischen Daumen und Zeigefinger und stippte es ins Senfglas.
    »Carlo, ich war den ganzen Abend im Club, aber ich kann mich an den Heini nicht erinnern. Da ist nichts. Ein schwarzes Loch im Hirn.«
    »Du hast ja auch einiges konsumiert. Noch Kaffee?«
    Er wartete meine Antwort nicht ab, sondern schenkte mir ein.
    »Die Polizei wird bei dir aufkreuzen«, murmelte ich.
    »War schon da.«
    »Was?«
    »Ich habe geschlafen. Keinen reingelassen.«
    »Sie sind abgezogen?«
    »Sollten sie sich den Weg freischießen?« Carlo reichte mir das Baguette.
    »Hauptkommissar Keller lässt sich bestimmt nicht so leicht abservieren«, grummelte ich zwischen zwei Bissen. Ich sah vor mir, wie Keller hier auf genau diesem Stuhl saß. Kaffee trank. Carlo mit seinen traurigen Torfaugen ansah und Sachen in sein Büchlein kritzelte.
    Wir ratschten noch eine halbe Stunde, bis Carlo Anstalten machte, sich für die Sonntagnacht im Piranha herzurichten. Ich verabschiedete mich und trabte eilig über den Gartenweg zu meinem Wagen.
    Es hatte erneut zu nieseln begonnen. Ich fröstelte und hoffte, dass die Temperaturen nicht unter null Grad fallen würden. Ich musste nach
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