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Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Titel: Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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trauernde Witwe glaubt nicht an einen Unfall oder einen Selbstmord.«
    »Hätte Euer Gnaden die Güte, meine Argumente anzuhören? Ich werde mich so kurz wie möglich fassen.«
    Meuren fixierte Nikolaus einen Moment und presste dann ein mürrisches Ja hervor.
    Nikolaus holte tief Luft. »Der Meister Albrecht lag mit zertrümmerten Unterschenkeln vor dem Kirchturm. Er muss also mit den Füßen voran aufgeschlagen sein.«
    »Na und?«
    »Jeder, der fällt, versucht instinktiv, mit den Füßen aufzukommen. Gebrochene Glieder sind nicht so schlimm wie ein zertrümmerter Schädel. Wird aber jemand gestoßen und ist dabei vielleicht sogar betäubt, wirbelt er durch die Luft und landet eher bäuch- oder rücklings.«
    »Aber da hat doch jemand aus dem Turmfenster geschaut.«
    »Genau. Aber niemand kann sagen, dass er seine Hände im Spiel hatte.«
    »Das Gegenteil auch nicht.«
    »Aber da gibt es noch eine zweite Merkwürdigkeit. Einiges spricht dafür, dass Albrecht nicht schrie, als er fiel. Jemand sagte mir, dass er ohne einen Ruf auszustoßen aufschlug.«
    Der Dompropst verdrehte gereizt die Augen. »Und was sollte das beweisen?«
    »Wer würde nicht vor Schreck schreien, wenn er abstürzt oder gestoßen wird?«
    Meuren hatte schon den Mund geöffnet, um eine ungeduldige Antwort zu geben, besann sich dann aber eines Besseren. Man sah, wie sich die Überlegungen in seinem Kopf gegenseitig jagten. Wurde Albrecht bei vollem Bewusstsein aus dem Fenster gestoßen, hätte er lauthals geschrien. Ebenso bei einem Unfall. Wäre er aber ohnmächtig gewesen, wären seine Unterschenkel nicht zertrümmert gewesen. Erheblich ruhiger antwortete der Dompropst nun: »Angenommen, Albrecht war betäubt, als er hinausgeworfen wurde. Könnte er so durch die Luft wirbeln, dass er wider alle Wahrscheinlichkeit mit den Füßen voran aufschlug?«
    Nikolaus zuckte mit den Schultern. »Möglich wäre es sicherlich. Es wäre aber ein großer Zufall.«
    »Aber nicht ausgeschlossen?«
    »Nein, meines Wissens nach nicht auszuschließen.«
    Freudig klatschte der Dompropst in seine Hände. »Da haben wir’s ja. Ihr forscht nach, wer der Mann im Turmfenster war und wer einen Grund hatte, Albrecht umzubringen.«
    Nikolaus war völlig überrascht. »Der gnädige Kurfürst Otto gab mir doch den Auftrag, die Unterlagen seiner Vorgänger zu sichten. Damit habe ich bestimmt noch eine Woche zu tun. Da ist keine Zeit, einem vermeintlichen Mörder nachzujagen.«
    Von Meuren stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine mangelnde Größe auszugleichen. In harschem Ton presste er hervor: »Vergesst nicht, wer der Stellvertreter unseres ehrwürdigen Bischofs ist.«
    Nikolaus verneigte sich tief und antwortete leise: »Ihr, Euer Gnaden.«
    »Gut.« Von Meuren lächelte sichtlich zufrieden. »Dann fangt am besten sogleich an. Sonst entwischt uns der Mörder noch. Es wäre sehr gut, wenn ich dem Kurfürsten umgehend den Schurken präsentieren könnte. Dann wüsste er, dass er sich auf meine Verwaltung immer verlassen kann. Und es würde einmal mehr beweisen, welch jämmerliche Versager diese aufmüpfigen Burschen im Rat der Stadt doch sind. Die sind doch gar nicht in der Lage, sich selbst zu verwalten. Die können weder für Ruhe und Ordnung sorgen noch einen abscheulichen Mord aufklären. Gut, dass ich da aus anderem Holz geschnitzt bin.«
    Nikolaus nickte leicht. Meuren wollte ihn benutzen, um dem Stadtrat eins auszuwischen und sich dafür beim Kurfürsten im besten Licht zu präsentieren. Nikolaus hasste solche Opportunisten. Aber was sollte er machen? Er hatte sich diesem geltungssüchtigen Zwerg unterzuordnen. Es ging nicht anders. Oder er müsste hier alles hinwerfen und seine Stelle aufgeben. Dann könnte er seine eigene Karriere als Advokat aber auf ewig vergessen. Er würde bei keinem Fürsten – weder weltlich noch kirchlich – wieder einen Posten bekommen. Auf Wiedersehen, ihr geliebten Forschungen in Köln, Paris und anderswo. Stattdessen dann den Kaufmann im väterlichen Geschäft spielen, unerquickliche Rechnungen schreiben statt anregender Abhandlungen und langweilige Lagerlisten durchforsten statt ehrwürdiger Archive.
    »Wird man denn auf mich hören wollen?«, fragte Nikolaus resigniert.
    Der Gesichtsausdruck des Dompropstes wurde noch missmutiger. »Der Rat der Stadt hat dem Kurfürsten zu gehorchen. Er ist der Herr von Trier, auch wenn es diese anmaßenden Bürger gerne anders hätten.«
    »Das wird schwer«, murmelte Nikolaus verzagt. »Und wenn
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