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Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Titel: Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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Fälschungen Bescheid?«
    Giuliano setzte sich auf. Das Thema schien ihm unangenehm zu werden. »Sì. Leider ja. Einige Vorfahren haben wohl damit Geld gemacht, Reliquien zu fälschen. Und besonders viel bekommt man natürlich für alles, was mit Christus zu tun hat.«
    »Ganz genau. Überleg doch einmal, wie viele Kapellen, Kirchen und Klöster behaupten, das Sanctum praeputium, die heilige Vorhaut Jesu, zu besitzen.«
    »Ein Dutzend bestimmt. Höchstwahrscheinlich sind es alles Fälschungen.«
    Die beiden Freunde lachten herzlich und gönnten sich noch etwas von dem köstlichen Wein.
    Nachdem sie sich wieder beruhigt hatten, begann Nikolaus zu erzählen: »Als ich das Abbild auf dem Tuch sah – die Konturen eines nackten Mannes sowohl von vorn als auch von hinten und die über dem Schoß zusammengelegten Hände – wusste ich, was ich vor mir hatte. Das berühmte Grabtuch, im dem unser Herr Jesus Christus nach seinem Tode eingewickelt worden sein soll. Deshalb reiste Theodor Junk auch nach Saint-Hippolyte – es war ja aus Sicherheitsgründen vor ein paar Jahren aus Lirey in die dortige Kapelle geschafft worden war. Ich nehme an, er wollte das Tuch nach Trier holen, weil Helena, die Mutter Konstantins des Großen, es gefunden haben soll, als sie in Jerusalem war. Das Tuch hätte ideal hierhingepasst.«
    »Du sagtest: sein soll. Du glaubst also nicht, dass es echt sein könnte?«
    Der junge Mann von der Mosel schüttelte den Kopf. »Ich fand Vittorios Aussage glaubhaft. Außerdem hast du ja auch zugegeben, dass es in eurer Familie Brauch ist ...«
    Giuliano hob abwehrend die Hände. »Per favore, musst du nicht immer wiederholen. Das weiß ich auch so. Bitte.«
    »Schon gut. Andererseits gibt es ein paar logische Schlussfolgerungen, die dagegensprechen. Die Leiche ist nackt. Das Mosaische Gesetz ist aber sehr penibel, wenn es um das Aufdecken der Blöße geht. Heutzutage denken Menschen ja anders darüber. Dann ist der abgebildete Mann auch größer als der Durchschnitt. In der Bibel findet sich nichts darüber, dass Jesus von außergewöhnlicher Größe war. Gegenbeispiel ist die Beschreibung von König Saul. Schließlich: Wenn jemand in das Tuch eingewickelt worden wäre, müsste es auch Abdrücke von der Seite des Kopfes und des Körpers geben. Aber das Tuch sieht aus, als wäre es nur darüber ausgebreitet gewesen.«
    »Das sind aber keine Beweise! Dafür könnte es auch andere Erklärungen geben!«
    »Stimmt. Aber es sind auf jeden Fall handfeste Indizien.«
    Der italienische Freund öffnete schon den Mund, um etwas zu sagen, hielt sich dann aber zurück.
    Nikolaus setzte aber noch einen oben drauf: »Im Judasbrief finden wir aber auch, dass der Erzengel Michael sich mit Satan um den Leichnam Moses gestritten hat 36 . Warum? Michael wollte doch offensichtlich verhindern, dass die Leiche zu einem Symbol für eine ketzerische Anbetung wurde. Wenn das schon beim Leib Moses so war, sollte das doch erst recht beim Herrn Jesus gelten. Oder?«
    Giuliano Cesarini lachte laut und klatschte mehrfach in die Hände. »Oh, madre mia! Dann müssten wir ja sofort alle Reliquien vernichten!«
    »Im Grunde genommen ja.«
    »No, no, no. Das gäbe einen Aufstand! Das würde den Verlust der allergrößten Schätze der Kirche bedeuten! Das geht nicht, amico.«
    Die beiden Freunde sahen sich eine Zeit lang an. Auf der einen Seite der Abgesandte der Kurie, der auf die genaue Einhaltung der Glaubensregeln und den Machterhalt der Kirche achtete. Auf der anderen Seite der logisch denkende Wissenschaftler, der auch einmal Dinge infrage stellen musste, die man zu oft ohne nachzudenken einfach von Generation zu Generation übernommen hatte. Zwei unversöhnliche Positionen, aber um der Freundschaft willen mussten und wollten sie sich aufeinander zu bewegen.
    Schließlich beendete Giuliano das Schweigen: »Du bist überzeugt, dass auch das Original, das ihr verbrannt habt, eine Fälschung war?«
    »So klar und unleugbar wie die Tatsache, dass es einen allmächtigen Schöpfer gibt.«
    »Doch nur Vittorio könnte die Fälschung auch bezeugen.«
    Nikolaus nickte.
    »Aber der ist ja nun tot.«
    »Noch ein Mord.«
    Giuliano nickte. »Stimmt. Willst du wieder nachforschen, wer es war?«
    »Mord ist eine schwere Sünde, die gesühnt werden muss. Aber ich werde mich lieber nicht damit beschäftigen. Sonst werde ich auch bald tot sein. Nicht wahr?«
    Cesarini gab keine Antwort. Er nippte nur am Wein und schaute dann zum Himmel hinauf.
    »Wirst du
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