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Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)

Titel: Schweigende Mauern: Historischer Kriminalroman aus Trier (German Edition)
Autoren: Frank Domeier
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Einzelheiten wieder erkennen.
    Nikolaus war gerade neben dem Durchgang zur Stadtkirche St. Gangolf, als er mehrere laute, unverständliche Schreie hörte. Gab es einen Streit zwischen Marktfrauen? Oder waren zwei Viehtreiber aneinandergeraten? Das wäre nichts Ungewöhnliches – so etwas kam immer wieder vor. Aber die Schreie waren durchdringender als alle anderen Rufe hier auf dem Marktplatz gewesen. Nikolaus drehte sich um, um zu sehen, wer den Aufruhr verursacht hatte. Auch andere Leute schauten sich fragend um. Was war geschehen?
    Jetzt hörte er aufgeregte Stimmen aus Richtung der Stadtkirche. Rasch eilte er zwischen den Häusern hindurch in die schmale Straße direkt bei St. Gangolf. Vor dem Portal der Kirche hatten sich mehrere Personen in einem Halbkreis versammelt, deren Gesichter alle auf einen für Nikolaus unsichtbaren Punkt vor ihnen gerichtet waren. Worauf starrten sie? Neugierig geworden zwängte er sich durch die Menschenmenge.
    Vor ihnen lag ein Mann mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Er musste deutlich über fünfzig Jahre alt sein, sicher fast sechzig. Sein graues, schulterlanges Haar hing ihm wirr um den Kopf. Dazwischen sickerte Blut hervor und bildete eine kleine Blutlache. Die Beine waren unnatürlich verdreht und abgewinkelt, das linke schien zwischen Knie und Fuß ein neues Gelenk bekommen zu haben. Alle Anwesenden waren starr vor Schreck. Nur einer hatte sich vorsichtig herangetraut. Doch der stand gerade wieder auf und konnte nur noch den Kopf schütteln.
    Nikolaus sprach einen Mann an, der schweigend dastand: »Was ist geschehen?«
    »Welch ein Unglück«, kam es leise.
    »Was ist denn? Gab es einen Streit?«
    »Das durfte nicht geschehen.«
    Nikolaus wollte gerade eine ärgerliche Antwort geben, als er von der anderen Seite von jemandem angesprochen wurde, der den Lehmresten auf der Leinenschürze und den verkrusteten Händen nach zu urteilen ein Töpfer sein musste. »Von da oben ist er herunter.« Er zeigte zum Kirchturm hoch. »Ich hörte ein Klatschen, und dann sah ich ihn da liegen.«
    »Ist er abgestürzt?«
    »Weiß nicht. Die Arbeiter bessern das Dach weiter vorn am Chor aus.«
    »Und der Tote hat beim Sturz nicht geschrien?«
    »Nee. Das waren die Leute, denen er vor die Füße klatschte.«
    Nikolaus schaute hinauf. Der Verunglückte lag genau vor dem Kirchturm. An dessen Dach wurde nicht gearbeitet. Von wo aus war er abgestürzt? Plötzlich erschien ein Kopf in dem Fenster genau unterhalb der Traufe. Man konnte das Gesicht nicht erkennen. Nur die dunkle Gugel 10 war sichtbar.
    Auch andere hatten die Gestalt erblickt. Plötzlich schrie jemand: »Der war’s!« Schon stimmten die Nächsten ein: »Mörder! Den holen wir uns!« Und ehe man sich versah, war eine Handvoll Männer losgestürmt, um den Unbekannten herbeizuschleppen. Doch so unverhofft der Kopf im Fenster erschienen war, war er auch schon wieder verschwunden; denn nun ging es ihm an den Kragen. Doch Nikolaus‘ Ruf, dass doch niemand wissen konnte, ob jemand den Mann gestoßen hatte, verhallte ungehört im aufbrausenden Geschrei.
    Immer mehr Menschen strömten herbei und versammelten sich in der engen Straße. Die Leute schoben und stießen sich, weil jeder die Leiche mit eigenen Augen begaffen wollte. Jeder wollte Augenzeuge des schaurigen Spektakels sein, um heute Abend daheim oder im Gasthaus eine aufregende Geschichte zum Besten geben zu können.
    Da Nikolaus einer der Ersten am Unglücksort gewesen war und deshalb günstig stand, konnte er nun sehen, dass, kurz nachdem die Häscher in die Kirche geeilt waren, ein Priester herausstürzte. Er schlug die Hände vors Gesicht und stöhnte erschrocken auf, bekreuzigte sich mit zitternden Händen. Dicht dahinter folgten drei vornehm gekleidete Herren. Auch sie prallten beim Anblick des am Boden liegenden Leichnams zurück. Sofort zogen sie sich wieder in das Halbdunkel der großen Eingangstür zurück und tuschelten aufgeregt miteinander.
    Im nächsten Augenblick hörte man ein Schreien und Grölen. Schon kam der aufgeregte Trupp mit zwei Gefangenen zurück. Als die Männer in der Kirchentür erschienen, brandete ihnen zorniges Geschrei entgegen. Einige riefen, dass man die Kerle sofort aufhängen sollte. Andere meinten, dass ein Strick zu wertvoll für sie sei, sie sollten gleich hier und jetzt erschlagen werden. Einer rief sogar, die Gerechtigkeit verlange, dass die beiden Halunken auch vom Turm heruntergeworfen werden müssten.
    Die Gefangenen wurden mit
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