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Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)

Titel: Schweigend steht der Wald: Roman (German Edition)
Autoren: Wolfram Fleischhauer
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Oder war sie mit einem anderen Fahrzeug kollidiert?
    »Habe ich jemanden verletzt?«
    »Nein, mein Kind. Du hast niemanden verletzt.«
    So. Immerhin. Das war ja dann Glück im Unglück. Um ihren VW-Bus tat es ihr leid. Ob er sehr beschädigt war? Sie wollte fragen, aber aus irgendeinem Grunde funktionierte das mit dem Reden manchmal nicht. Sie hatte den Satz, den sie sagen wollte, auf den Lippen, sah ihn vor sich, aber sie vermochte ihn nicht auszusprechen.
    Irgendwann fragte sie nach Lukas. Ob er versucht habe, sie zu besuchen.
    »Du darfst noch keinen Besuch bekommen«, lautete die Antwort. »Erst in ein paar Tagen, wenn der Arzt es gestattet.«
    Sie musste sich mit ihm aussöhnen. Sie machte ihm doch keine Vorwürfe.
    »Wo bin ich überhaupt?«
    »In der Universitätsklinik. In Erlangen. Sie haben dich hergeflogen. Im Hubschrauber. Aber jetzt ist alles gut.«
    »Mama«, sagte sie nach einer längeren Pause.
    »Ja?«
    »Ich glaube, ich weiß, was mit Papa passiert ist.«
    Franziska Grimm sah sie an. Dann beugte sie sich über sie, strich ihr zärtlich über die Wange und sagte: »Es tut mir so leid, Anja. Ich hätte niemals tun dürfen, was ich im Frühjahr getan habe. Du bist tapfer. Du bist mutig. Und ich bin nur eine dumme, alte Frau.«
    »Was redest du da, Mama?«
    »Wenn ich mir vorstelle, du wärst bei diesem Unfall ums Leben gekommen … Und ich kann dir ja nicht einmal einen Vorwurf machen, dass du mir gar nichts von all den Vorfällen hier erzählt hast. Ich war ein nutzloses Wrack. Ich kann mir nicht verzeihen, dass ich dich im Stich gelassen habe.«
    »Mama, bitte. Du hast mich nicht im Stich gelassen. Aber jetzt sag mir doch endlich, was passiert ist.«
    »Du warst mit Rupert und Lukas Gollas im Auto unterwegs. Rupert ist gefahren. Du warst hinten mit Lukas. Rupert fuhr sehr schnell und hat durch die Kollision mit einem anderen Wagen die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Ihr habt euch mehrfach überschlagen. Es ist ein Wunder, dass du noch lebst, Anja.«
    »Und Lukas? Und Rupert?«
    Franziska schüttelte stumm den Kopf.
    »Nein«, entfuhr es Anja.
    Ihre Mutter schwieg.
    Anja versuchte sich aufzurichten, ohne Erfolg.
    »Nein«, sagte sie wieder. »Nein.«
    Die Tür öffnete sich. Ein älterer Herr mit Hut und Mantel trat ein.
    »Herr Dr. Breit«, sagte ihre Mutter und erhob sich. Sie schüttelten sich die Hände.
    »Anja, das ist Herr Dr. Breit. Aus München. Er kann dir alles sehr viel besser erklären als ich.«
    Der ältere Mann mit grauen Haaren und einer Hornbrille setzte sich zu ihr ans Bett. »Wie geht es Ihnen?«
    Anja schloss die Augen. Lukas und Rupert waren tot? Beide Brüder tot? Wie sollte das möglich sein? Beide?
    Die Stimme des Mannes drang wie durch einen Geräuschteppich zu ihr. »Ihr Autounfall war ein wenig kompliziert, Frau Grimm, daher bin ich hier. Um Ihnen rechtlichen Beistand zu leisten. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Sie haben nichts zu befürchten. Aber in den nächsten Tagen wird man Ihnen vermutlich sehr viele Fragen stellen.«
    »Sie sind Anwalt?«
    »Ja.«
    »Ich brauche einen Anwalt?«
    »Sie stehen im Zentrum einer äußerst heiklen Angelegenheit. In den nächsten Wochen werden Sie sehr viele Erklärungen abgeben müssen. Dazu sollten Sie erstens gut informiert sein, und zweitens ist es hilfreich, wenn Sie jemanden haben, der für Sie sprechen kann, wenn Sie das wollen.«
    »Wer hat Sie geschickt?«
    »Herr Skrowka.«
    Anjas Kopf zuckte, und sie stöhnte vor Schmerzen.
    »Skrowka?«, sagte sie dann, als der Schmerz nachgelassen hatte. »Wieso meint er, dass ich einen Anwalt brauche?«
    »Sie können mich jederzeit wieder wegschicken. Aber ganz alleine sollten sie den Leuten, die Sie demnächst bestürmen werden, nicht gegenübertreten.«
    »Was für Leute?«
    »Die Oberstaatsanwaltschaft will mit Ihnen sprechen. Und natürlich die Presse. Wobei ich Ihnen dringend abrate, zum gegenwärtigen Zeitpunkt irgendwelche Interviews zu geben.«
    Anja blickte den Mann verwirrt an. »Die Staatsanwaltschaft?«
    Dr. Breit nickte. »Sie haben noch immer keinerlei Erinnerung an die Ereignisse kurz vor Ihrem Unfall?«
    Sie versuchte den Kopf zu schütteln, ließ aber sofort von dem Versuch ab, als ihr ein stechender Schmerz in den Nacken fuhr.
    »Nein. Ich weiß, dass ich Lukas Gollas im Haingries getroffen habe. Wir haben uns gestritten. Er fuhr weg. Ich bin ihm hinterhergefahren. Danach weiß ich nichts mehr.«
    »Sie wissen nicht, warum Sie mit Rupert und Lukas
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