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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau
Autoren: Carl von Holtei
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Forstes, wo dieser sich gegen Norden in eine weite öde Fläche verliert, deren Flugsand bisher jedem Culturversuche tückisch widerstrebte. Eine unerquickliche, trostlose Gegend, kaum von dem Gezwitscher eines Vogels belebt; denn alle Thiere beeilen sich, diese Nachbarschaft zu meiden. Dort erst erwachte Emil aus dem Halbschlafe, worin er einhergezogen war. Er setzte sich auf den Erdboden, lehnte sich mit dem Rücken an einen der letzten Baumstämme, winkte Franzen zu, ein Gleiches zu thun, und sprach mit einem Anfluge bitteren Scherzes: »Hebe das Klagelied von Deiner Vergangenheit an und wolle der Himmel, daß die Aussicht in die Zukunft lebensfrischer sein möge, als diejenige, die wir hier vor unsern Augen haben!«
    »Sie ist nicht unpassend gewählt für meine Mittheilungen,« erwiderte Franz und begann: »Ich bin der einzige Sohn des Freiherrn Franz von R. Mein Vater starb vor fünfzehn Jahren und hinterließ meine arme Mutter in sehr verwickelten Verhältnissen, aus denen sie sich nur durch sparsame Geduld zu retten im Stande gewesen wäre. Sie aber hatte nicht gelernt, sich einzuschränken und ihre zärtliche Liebe für mich trug viel zur Vermehrung ihres Aufwandes bei, dem ihr Rechtsfreund und mein Vormund, Beide, vergeblich Einhalt thun wollten. Anstatt mich gleich andern Kindern meines Alters in eine öffentliche Schule zu senden, oder mich in eine Erziehungsanstalt mittlerer Gattung zu geben, woran in der Residenz kein Mangel war, hielt sie mir einen theuren Erzieher, der aber doch nicht allen Unterricht selbst ertheilen konnte und neben welchem noch die gesuchtesten Privatlehrer für neuere Sprachen, Musik, Zeichnen verwendet und schwer bezahlt wurden. Ich hatte meinen eigenen Diener, den ich, obgleich ich kaum sieben Jahre zählte, schon mit angeborenem Beruf den Herrn zu spielen, quälte und tyrannisirte. An meinem zehnten Geburtstage erhielt ich eine kleine Equipage mit zwei allerliebsten Pony's als Angebinde, wozu natürlicherweise ein jugendlicher Stallknecht gehörte, der die Zahl meiner Leibeigenen um eine Seele vermehrte. Der Hauslehrer durfte mehr oder weniger zu diesen mit gerechnet werden, denn ich übersah ihn, benützte seine Schwäche für meine kindischen Zwecke und beherrschte ihn mehr, als ich ihm gehorchte. Unerfüllbare Wünsche kannte ich nicht; Verbote, Entsagungen gab es nicht für mich; was ich wollte, mußte geschehen und man wagte nicht, mir etwas zu versagen, weil ich übrigens fleißig war, meinen Aufgaben genügte und Fortschritte zeigte, die mir leicht wurden. Des Vaters Testament ließ der Mutter zu viel Freiheit, gewährte meinem Vormund zu wenig Rechte, entschieden einzugreifen; er wurde der ewigen Zwistigkeiten mit ihr, deren ich mich noch deutlich erinnere, endlich müde und ließ sie gewähren. So geschah es, daß sie, durch einen übelberufenen Advocaten verleitet, ohne selbst recht zu wissen was sie that, mein väterliches Erbtheil angriff, nachdem ihr Antheil an unserem Vermögen erschöpft war. Mit leeren Täuschungen und Schwindeleien wurde die Wahrheit so lange versteckt gehalten, bis zuletzt das Unglück in seiner ganzen Gewalt hereinbrach. Ueber Nacht waren wir Bettler geworden und die werthlosen Flitter eines unnöthigen Aufwandes reichten kaum hin, unsern Rückzug aus den ersten Reihen der vornehmen Welt in den Haufen ärmlicher, heruntergekommener, dennoch in's höchste Stockwerk hinaufklimmender Dachstubenbewohner zu decken. Ein Knabe von zwölf Jahren besaß ich weder Pony's, noch Groom; noch Kammerdiener, noch Hofmeister, noch Privatlehrer. Meine Mutter lebte nur durch Unterstützungen einiger älteren Freundinnen und ich wurde in die große Stadtschule geschickt, wo ich anfänglich viel Spott und üble Behandlung auszustehen hatte, denen ich aber nach kurzer Prüfungszeit Trotz und geballte Fäuste entgegensetzte. Ich muß mich jetzt noch verwundern, wie rasch und leicht ich mich in den ungeheuren Wechsel meiner Lage finden gelernt. Keiner von all' meinen Genossen konnte mir nach Verlauf eines Jahres abmerken, daß ich der verwöhnte, in Uebermuth und Ueberfluß aufgewachsene Junge sei. Ich fügte mich, scheinbar zufrieden, jeder nothwendigen Entbehrung, ging meinen Weg als ordentlicher, tüchtiger Schüler und hatte nichts aus der Epoche meines früheren Daseins bewahrt, als einen gewissen Stolz, hergeleitet ans der Erinnerung an das, was wir einst gewesen. Dieser Stolz bewahrte mich vor schlechtem Umgang. Er ließ mich die Freundschaft bevorzugter
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