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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau
Autoren: Carl von Holtei
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»Wenn es nun eben der Dienst ist, dem ich zu entkommen trachte? Ich bin weder geboren, noch erzogen dazu.«
    Emil starrte den Sprecher an. Nicht lächelnd, denn so weit war er noch nicht in's Leben zurückgeschritten, um lächeln zu können, aber höchst verwundert starrte er ihn an: »Weder geboren, noch erzogen dazu?« wiederholte er; »nun, warum dann hast Du Dich um diesen Platz beworben?«
    »Das ist nicht so rasch deutlich zu machen,« entgegnete Franz, »und heute sind wir Beide nicht in der Stimmung, eine lange Geschichte abzuwickeln; weder ich, sie zu erzählen, noch der gnädige Herr, sie zu hören. Zunächst bitt' ich um Ihr Ehrenwort, daß Sie nichts gegen Sich selbst vornehmen wollen. Eher kann ich diese Waffe nicht zurückgeben.«
    »Du verlangst viel, mein lieber Franz. Und wer bürgt mir für Dich? Wer steht mir dafür, daß Du die Absichten aufgegeben hast, die Du heute hegtest? Hat sich in unserer Lage etwas geändert?«
    »Doch! Sehr viel! Wir sind Vertraute geworden durch Entdeckung unserer furchtbaren Geheimnisse. Unser Verhältniß hat eine tiefe Bedeutung gewonnen; wir stehen uns näher, als Herr und Diener sonst pflegen, und was ich mitzutheilen habe, wird uns vielleicht noch näher bringen. Vielleicht auch nicht? Vielleicht führt es zum entschiedenen Bruche? Gleichviel. Dann bleibt uns immer noch die Trennung übrig, mag diese nun herbeigeführt werden wodurch sie wolle. Ehe wir uns ausgesprochen haben, darf sie nicht mehr erfolgen. – Jetzt ist es Zeit, Ihre Gemalin nicht länger am Theetische harren zu lassen; denn sie weiß, daß Sie im Schlosse sind.«
    Emil gab das ihm abgeforderte Ehrenwort und empfing dagegen aus Franzens Händen den Dolch, den er sorgfältig verbarg.

Zweites Capitel.
    Emil betrat seiner Gattin Gemächer, wie ein schuldbedrückter, zu reuiger Buße geneigter Mensch. Von der unfreundlichen, mürrischen Weise seines leider sonst alltäglichen Benehmens, zeigte sich heute keine Spur: stürmische Ungewitter haben oft sanfte friedliche Abende in ihrem Gefolge. Ebenso schien Agnes minder in ihren stillen schweigsamen Gram versunken, wie gewöhnlich; sie empfing den Gatten fast heiter; vor ihr lag ein offener Brief, der diese Umwandlung hervorgebracht. Ihre Pensionsfreundin Caroline meldete ihr, daß sie den Eltern endlich die Erlaubniß abgeschmeichelt habe, der längst und wiederholt an sie ergangenen Einladung zu einem längeren Besuche in Schwarzwaldau folgen zu dürfen und verhieß baldige Ankunft. Das war für Agnesen ein wichtiges Ereigniß. An Carolinen und deren Andenken knüpften sich für die einsame Frau lebhafte und belebende Erinnerungen der blühenden Mädchenzeit, die sie in einer Dresdner Erziehungsanstalt als vertrauteste Genossinnen miteinander durchgemacht. Tausend frische fröhliche Kindesträume wurden wach und erfrischten anregend die öde Gegenwart der vernachlässigten Ehefrau mit einem fröhlichen Hauche von Vergangenheit. Sie sprach ihre Dankbarkeit gegen Emil aus, daß er ihr habe gestatten wollen, die Freundin einzuladen; daß er ihr diese Freude vergönnt habe, – obgleich er es allerdings nicht mit allzubereitwilligem Entgegenkommen gethan, vielmehr deutlich gezeigt hatte, daß ihm die Anwesenheit einer ›Beobachterin‹ eben nicht erwünscht sei. Heute gab er fast das Gegentheil kund. Er hieß Carolinen im Voraus willkommen, versprach sich für Agnes Vergnügen und für sich herzliche Theilnahme von solchem Zuwachs ihres Verkehres und äußerte dieß in so verbindlicher, gefühlvoller Weise, daß die arme Frau ihre Theekanne aus der Hand setzte, ihn erstaunt anblickte und mit Thränen im Auge ausrief: »Wie gut Du gegen mich bist, lieber Emil!«
    Sie saßen traulich beisammen, ohne weiter viel zu reden. Sie lächelten Beide still vor sich hin. Wer sie gestern Abend sitzen gesehen, hätte in ihr nicht die Frau wieder erkannt, die ein Bild entsagenden Grames in die Dämmerung starrte und nur mechanisch das Amt der Hausfrau am Theetisch verwaltete; in ihm noch weniger den Mann, dem die fürchterlichste aller Entschließungen mit tiefen Zügen schon auf der Stirn geschrieben stand. Und welche neue Richtung hatte sich denn dieser verkümmernden Seelen bemächtiget? Bei Agnes ist es leicht zu erklären: auf matte verschmachtende Blumen war ein mildes Regenwetter gefallen; die ganze Wiese athmete neuen Duft. Aber bei Emil? Vor einer Stunde pochte er mit dem Griffe seiner Mordwaffe an's verriegelte Thor der Ewigkeit, – und jetzt gab er sich
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