Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau
Autoren: Carl von Holtei
Vom Netzwerk:
Sache bleibt dieselbe in ihren Folgen für mein Dasein auf Erden. Ich entwendete meiner armen Mutter das einzige goldene Stück, welches sie auch in der bittersten Noth aufbewahrt hatte: den Trauring, den mein verstorbener Vater getragen; er befand sich in einer kleinen, mir aus den Jahren frühester Kindheit wohlbekannten Schachtel, die außerdem Locken vom Haupte des Verstorbenen und auch von mir enthielt. Ich trug ihn zu einem Goldarbeiter, der mit allerlei Geschmeide handelte, und erbat mir, nachdem der Metallwerth abgewogen und berechnet war, die Erlaubniß, für den Betrag desselben einen anderen, modernen Ring auszusuchen. Das wurde mir freundlich gestattet und ohne im Geringsten Mißtrauen zu zeigen, ließ man mich etliche große Kasten voll von dünnen mit bunten Steinchen verzierten Reifchen durchmustern. Bei dieser Gelegenheit, wo weder Mann noch Frau ihre anderweitigen Beschäftigungen verließen und mich kaum beachteten, gelang es mir ein kostbares Armband, welches mir aus rothem Lederfutteral mit wahrhaft höllischer Lockung entgegenblitzte, zu erhaschen und unbemerkt in die Tasche meines Rockes gleiten zu lassen. Daß es vermißt werde, stand für den Augenblick wenigstens nicht zu besorgen, denn die Tafel war von ähnlichen Dingen überfüllt. Ich kürzte nun meine Anwesenheit möglichst ab, wählte einen Ring aus, der mir leidlich paßte und schritt, – worauf ich mich noch sehr genau und zu meinem eigenen Abscheu erinnere, recht langsam und bedächtig aus dem Laden, damit es nur ja nicht aussehen sollte, als eilte ich mich zu entfernen. Hatte ich in vergangener Nacht den Morgen nicht erwarten können, so dünkte mich nun der Tag noch unüberstehlicher. War ich doch im Besitz des Talisman's, der mir endlich gewähren würde, wonach ich mit verzehrender Ungeduld mich sehnte! Und er kam wirklich, dieser Abend; kam wie ein erquickendes, wenn auch stürmisches Gewitter, welches der in schwülen Gluthen Verschmachtende herbeifleht; welches aber dann keine rechte Erquickung bringt, sondern schwefelichten Qualm, wilde Orkane, und neue Schwüle, neue Gluthen. Zuerst reichte ich Lucien das eingetauschte Ringlein dar. Sie nahm es lächelnd, wog es in der Hand, schüttelte den Kopf, steckte es an den Finger und sagte spöttisch: entweder mein junger Baron ist auf ein sehr mäßiges Taschengeld gesetzt, oder seine Liebe zu mir ist noch mäßiger? Keins von beiden; erwiderte ich in einer Anwandlung von Hochmuth; diesen Ring hab' ich nur mitgenommen, weil ich es nicht der Mühe werth fand, mir die kleine Summe, die er kostet, in Silbergeld herausgeben zu lassen, als ich dieß Armband mit einer Banknote bezahlte. Werfen Sie ihn fort, wenn er Ihnen zu werthlos scheint; wenn Sie ihn nicht vielleicht dem Geber zu Liebe dennoch tragen wollen; aber gestatten Sie mir, dieß Armband Ihnen umzulegen. Kaum hatte sie es gesehen und sich als Kennerin von dem Werthe und der Gediegenheit desselben überzeugt, als sie es mit gutgespielter Geringschätzung bei Seite schob – aber pfiffig genug, damit es in ihren halboffenen Schubkasten falle. Dann küßte sie den Ring; versicherte, dieser sei ihr theuerer wie das theuere Armband, denn dieses binde nur den Arm, jener binde das Herz; küßte ihn abermals, küßte mich, und der Bund war geschlossen. Ich blieb diesen und die folgenden Abende bei Lucien, bis spät in der Nacht ihr Mann mit seinen unverkauft gebliebenen Figuren sich einstellte. Er begrüßte mich, wie wenn er über meine Anwesenheit im Voraus unterrichtet und höchst gleichgiltig dabei wäre. Meiner Mutter band ich, dieß späte Ausbleiben zu beschönigen, jenes alte abgedroschene Schülermärchen auf, von nächtlichen gemeinsamen Studien mit Cameraden, wo Einer dem Andern durch sein Wissen gegenseitig aushilft. Sie zweifelte nicht an der Wahrheit. Arme Mutter! Niemals hatt' ich weniger gethan. Niemals war ich weniger zu arbeiten im Stande gewesen. All' mein Sinnen richtete sich ja nur nach der Stunde, wo ich wieder bei Lucien sein würde. Sonst wußte, fühlte, dachte ich nichts. Es mag am vierten oder fünften Tage nach meiner schmählichen That gewesen sein, da stand, als ich Nachmittags in's Gymnasium eilte, Lucie hinter dem Vorhange ihres Fensters, und bemühete sich, indem sie mit drohender Geberde die Hand erhob, mir etwas deutlich zu machen, was eine Warnung zu enthalten schien; was ich aber nicht begriff. Wie ich mich dem Häuschen nähern wollte, zog sie sich zurück und machte abwehrende Bewegungen, wobei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher