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Schwarzwaldau

Schwarzwaldau

Titel: Schwarzwaldau
Autoren: Carl von Holtei
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jedesmal einen langsamen Schritt, um so lange wie möglich durch die stets geöffneten Fenster in's Innere des Stübchens starren zu können und niemals unterließ die gefällige Schöne zu erscheinen; bisweilen allerdings nur im Hintergrunde des Gemachs, weil ihre allzu leichte Bekleidung untersagte, sich am Fenster zu zeigen. Ich hatte bald heraus, daß sie, wenn nicht die Ehefrau, doch die Gefährtin eines Figurenhändlers sei, der seinen selbstgefertigten Kram in Gast- und Weinhäusern zum Verkaufe umhertrug und deßhalb des Abends nie zu Hause war. Ich sah diesen Mann, suchte ihn auf, knüpfte Gespräche mit ihm an und fand ihn dieses reizenden Weibes durchaus unwürdig. Und das schien auch sie zu empfinden. Das war es, was ihre auffordernden Blicke mir zu verstehen gaben. Nun begriff ich meine Mitschüler, die ich oft mit verächtlichem Achselzucken angehört, wenn sie ihre Herzensgefühle einander offenbarten. Nun begriff ich ihr wehmüthiges Schmachten, ihr heißes Sehnen; nun begriff ich Alles, was mir bisher dunkel und unbegreiflich gewesen. Eine neue Welt ging mir auf und ein neues Licht in dieser. Doch weit entfernt, die geschwätzige Vertraulichkeit meiner Schulcameraden nachzuahmen, behielt ich, was in mir geschah, fein vorsichtig bei mir; befestigte mich auch schon vorher in dem Entschluße, Alles zu verschweigen, was ich noch zu erleben hoffte. Ich führte diesen Vorsatz durch. Niemand bekam auch nur die leiseste Ahnung von meiner heimlichen Liebschaft. Sogar meinen Fleiß durfte sie nicht stören; ich holte des Nachts am Arbeitstische nach, was ich des Abends versäumte. Denn ich brachte meine Abende bei Lucie zu; sie selbst hatte mich durch unzweideutige Zeichen aufgefordert, bei ihr einzutreten. Auch ließ sie es an nichts fehlen, was irgend von Nöthen, bescheidene Schüchternheit in kecke Zuversicht umzuwandeln; sie benützte sogar die in der Werkstatt stets vorräthigen Gypsabgüsse kleiner Nachbildungen von antiken Gruppen und Figuren, um Bemerkungen daran zu knüpfen, die mehr ihre Person, als die Copieen der Kunstwerke betrafen. Doch hütete sie sich wohl, weiter zu gehen, oder mich weiter gehen zu lassen, als sich mit den Berechnungen einer schlauen, abgefeimten Dirne vertrug, wofür ich sie in meiner glühenden Verblendung unmöglich zu erkennen vermochte. Sie hatte mir unseren Familien-Namen abgelockt; der Baron führte sie irre; sie wähnte mich reich; und ich schämte mich ihr einzugestehen, daß meine Mutter von Almosen alter Freundinnen lebe. Bald gab sie zu verstehen, die Erfüllung meiner heißesten Wünsche sei nur durch sprechende Beweise freigebiger Liebe zu erreichen. Mir entging keineswegs die Niedrigkeit solcher Bedingung, aber ich fühlte mich schon zu tief in ihre Schlingen verstrickt, um mich loszureißen. Ein wahnsinniger Taumel bemächtigte sich meiner Sinne, der mich sogar unfähig machte, den Aufgaben für die Schule zu genügen, oder in den Lehrstunden nur eine passende Antwort zu geben. Die Professoren hielten mich für krank und ermahnten mich mit väterlichem Wohlwollen, für's Erste weg zu bleiben und meine, – wahrscheinlich durch allzuheftige Anstrengung erschöpfte Gesundheit zu schonen. Ich folgte diesem Rathe. Der lange faule Tag, den ich in Büschen und Wiesen außerhalb der Stadt zubrachte, gab mir vollends den Rest. Die darauf folgende schlaflose Nacht war fürchterlich: in dieser schmiedete ich den Entwurf des Verbrechens, durch welches ich Luciens Gunst zu erkaufen beschloß. Kaum konnte ich den Morgen erharren, so ungeduldig fühlte ich mich, ihn auszuführen. Die drohende Gefahr, in die ich mich begab, die ich mir auch nicht abläugnete; die Schmach, in die ich mich stürzte; die unauslöschliche Selbstbeschimpfung, die ich meinem angeborenen Stolze zufügte, waren nicht im Stande es mit dem unwiderstehlichen Verlangen aufzunehmen, welches in mir rasete. Ich glaube damals hätte der Anblick des Schaffots mich nicht zurückgeschreckt. Und auch heute noch bin ich der vollständigen Ueberzeugung, daß es Naturen giebt, deren organische Entwickelung in solchen Perioden sie unzurechnungsfähig macht; daß Menschen anderer, minder leidenschaftlicher Gattung gar kein Urtheil zusteht über ähnliche Thaten in ähnlichen Verhältnissen. Doch das ist eine persönliche Ansicht und ich will sie nicht geltend machen, mich zu entschuldigen. Sie gewann dem irdischen Gerichte kein Mitleid ab; vielleicht kommt sie dereinst zur Sprache, vor einem höheren Richter? Die
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