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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel
Autoren: Harald Schneider
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der Tat ein böser Zufall. Ich kann aber keine Verbindung zwischen unseren Fällen hier im Krankenhaus und dem Haßlocher Fall sehen. Doktor Dippers Patient war vorher nicht bei uns, weder ambulant noch stationär.«
    »Okay, damit sind wir schon einen Schritt weiter gekommen. Können Sie sich die vielen Todesfälle in so kurzer Zeit erklären? Wie häufig passiert so etwas?«
    Der Professor überlegte einen Moment. »Das, was ich Ihnen jetzt sage, ist nicht ganz einfach zu verstehen. Die Letalität bei Pseudokrupp geht heutzutage, zumindest in den industriellen Ländern, gegen null.«
    Dass der Professor mit Letalität die Sterblichkeitsrate meinte, war mir bekannt. Ein paar medizinische Grundbegriffe hatten sich selbst bei mir im Laufe der Zeit eingeprägt.
    »Pseudokrupp ist schon sehr schlimm«, fuhr er fort. »Zumal es leider meist unsere Jüngsten trifft. Allerdings wird das Ganze durch die Panikattacken der Eltern meist verschlimmert. Ruhe zu bewahren, würde den Kleinen viel mehr helfen.«
    »Und was kann man dagegen machen?«
    »Sie wissen, wie sich Pseudokrupp auswirkt?«
    Ich nickte.
    »Die Wahrheit ist, dass man, außer das Kind zu beruhigen, nicht viel machen kann, es handelt sich bekanntlich meist um eine Virusinfektion. Man kann an den Symptomen rumdoktern und darauf achten, dass immer ein Notfallmedikament zur Hand ist. Cortisonzäpfchen sind da leider bis heute die erste Wahl.«
    »Wieso leider?«
    »Hm ja, Cortison kann in seinen Nebenwirkungen recht vielfältig sein, vieles ist bei Kindern gar nicht richtig erforscht. Inzwischen gibt es erste Alternativprodukte, aber die haben sich noch nicht durchgesetzt.«
    »Und wie kommt es zu der gehäuften Zahl von Todesfällen?«
    »Ich weiß es nicht. Verdammt, ich weiß es nicht. Wir haben alles untersucht, sogar externe Gutachter hier im Haus gehabt, alles negativ. Ein paar Theoretiker sprachen zwar von veränderten Umwelteinflüssen, doch diese Diskussion hatten wir schon in den Achtzigern des letzten Jahrhunderts. Außerdem würden sich veränderte Umweltbedingungen nicht so plötzlich bemerkbar machen und schon gar nicht regional begrenzt. Der Haßlocher Fall kam auch für mich sehr überraschend. Er bewies mir aber, dass wir hier in der Klinik nichts falsch gemacht haben. Wir können nur abwarten und hoffen, dass es in Zukunft keine weiteren Todesfälle gibt.«
    Assistenzarzt Windeisen wollte sich endlich zu Wort melden, doch der Chefarzt ließ ihm nicht den Hauch einer Chance.
    »Herr äh, wie war doch gleich Ihr Name?«
    »Palzki, Reiner Palzki.«
    »Äh, gut Herr Palzki. Können wir uns darauf verlassen, dass unsere Kinderklinik nicht im Zusammenhang mit dem Tod von Doktor Dipper erwähnt wird? Das können wir jetzt wirklich nicht gebrauchen. Viele Eltern sind ohnehin schon misstrauisch.«
    »Das kann ich Ihnen nicht versprechen, Herr Professor. Im Moment sehe ich aber keinen Grund, Ermittlungen bei Ihnen in der Klinik durchzuführen. Ich bin aber nicht von der Presse. Sie wissen selbst, was sich da manchmal zusammenbraut.«
    Der Chefarzt hatte sich zwischenzeitlich etwas beruhigt. Doch Windeisen, so konnte ich aus den Augenwinkeln erkennen, war zur gleichen Zeit noch nervöser geworden. Ich selbst war mit meinen Fragen vorerst am Ende. Ich schaute demonstrativ auf meine Uhr, schauspielerte ein Erschrecken und verabschiedete mich mit  einer fadenscheinigen Begründung. Professor Doktor Zynanski begleitete mich zur Tür und bettelte darum, alles Menschenmögliche zu tun, um einen Schaden von seiner Klinik abzuwenden. Während ich durch die Halle des Hauptgebäudes ging, sah ich den Laden, der mein Leben retten konnte. Ich ging in die im Krankenhaus integrierte Apotheke und kaufte mir ein Mittel gegen Sodbrennen. Für den wertvollen Tipp der Apothekerin, doch nicht so viel Süßes zu essen, bedankte ich mich mit einem Lächeln, das sie wohl eher als Morddrohung auffasste. Ich zerkaute zwei der Tabletten, die sich im Mund wie winzigkleine scharfkantige Steine anfühlten. Als hätte ich es geahnt, blieben mehrere dieser Fremdkörper im Rachenraum zwischen Zäpfchen und Mandeln hängen. Das Sodbrennen war jetzt zwar einigermaßen neutralisiert, stattdessen hatte ich dieses blöde Fremdkörpergefühl im Rachen. Eilig lief ich zu meinem Wagen, um es mit einem Schluck Cola wieder loszuwerden. Doch die Cola musste warten. Auf der Motorhaube saß Dietmar Becker und feilte seelenruhig an seinen Fingernägeln.
    »Fertig mit der Maniküre im Selbstversuch?«,
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