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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel
Autoren: Harald Schneider
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Tod durch Sodbrennen nahe. Die Cola verschlimmerte das Ganze beträchtlich. Bezüglich der Effekte falscher Nahrungsaufnahme zum falschen Zeitpunkt konnte ich zwar auf jahrelange Erfahrenswerte zurückgreifen, schlauer war ich dadurch allerdings nicht geworden. Vor mich hin leidend, fuhr ich den Rest der Strecke bis zu meinem Ziel.

4.Wiedersehen mit einem Studenten
    Die Klinik ›Heiliger Leo‹ lag makabererweise direkt neben dem städtischen Hauptfriedhof im Stadtteil West. Die weiträumig verteilten Gebäude wurden von einer großzügig bemessenen Halteverbotszone umschlossen. Um mir einen beträchtlichen Fußweg zu ersparen, parkte ich direkt neben dem Eingang in einer Haltebucht für Taxen. Als Legitimation legte ich die entsprechende polizeiliche Ausnahmegenehmigung, die ich immer im Handschuhfach hatte, auf das Armaturenbrett. Dass ich wahrscheinlich wegen meines scheinbaren Parkvergehens gleich von einer Patientenherde, die am Eingang in einer Gruppe stehend vor sich hin paffte und wahrlich kein schmückendes Aushängeschild der Klinik war, angemacht werden würde, war mir egal.
    Die Kinderklinik, eine der Abteilungen des aus den 50er-Jahren stammenden Krankenhauses, lag zentral direkt hinter dem Hauptgebäude. Der Zugang wurde überwacht; die große mausgraue Tür war verschlossen. Direkt neben ihr war ein gewaltiger roter Pfeil angebracht, dessen Spitze auf eine kleine, unscheinbare Klingel deutete. Kurz nachdem ich sie betätigt hatte, öffnete eine Schwester mit riesiger Oberweite und sah mich fragend an. Sie trug kurze blonde Haare mit blauen Strähnchen und eine Brille mit bierdeckelgroßen Gläsern. Ich konnte problemlos das Namensschildchen lesen, das auf ihrem Kittel in Brusthöhe befestigt war, was normalerweise nicht der Fall war. Der in unserem Kulturkreis übliche Abstand zwischen zwei gegenüberstehenden Personen von einem guten Meter passte bei mir dioptrienmäßig nicht zu der gängigen Schriftgröße auf den Schildchen. Hier war es anders. Der Abstand zwischen uns beiden war zwar kulturkonform, ihr Namensschildchen befand sich aber aufgrund ihrer Oberweite fast in der Mitte zwischen uns. ›Frauke Hohlmann – Schwester‹ konnte ich ohne Schwierigkeiten entziffern.
    »Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?«
    »Entschuldigen Sie bitte, guten Tag. Mein Name ist Reiner Palzki, Kriminalpolizei. Ich würde gerne Herrn Professor Doktor Zynanski sprechen.«
    »Oh, das tut mir leid. Der Herr Professor ist unser Chefarzt und im Moment im OP. Haben Sie einen Termin vereinbart?«
    »Nein, ich bin spontan vorbeigekommen. Ich wollte auch nur ein paar kurze Fragen stellen. Ab wann ist Professor Doktor Zynanski denn wieder frei?«
    »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Vielleicht kann Ihnen Herr Windeisen weiterhelfen, er ist Assistenzarzt und hat im Moment gerade Bereitschaftspause.«
    Ich nickte ihr zu und gab mein Bestes, sie nicht anzustarren. Frau Hohlmann bedeutete mir, ihr zu folgen, lief durch einen langen Gang und bog zwei oder dreimal ab. Schließlich klopfte sie an eine Tür und öffnete diese sofort.
    »Basti, hier ist jemand, der den Prof sprechen will. Kannst du mal bitte übernehmen? Ich habe gerade Pfortendienst.«
    Frau Hohlmann machte mir Platz, sodass ich in das Zimmer eintreten konnte. Hier erwartete mich der nächste Schock. Und das lag nicht an Herrn Windeisen.
    Neben ihm an einem Besprechungstisch saß Becker, Dietmar Becker. Diesen stets glatt rasierten und knabenhaft wirkenden Studenten der Archäologie mit seinen schlaksigen Beinen und seiner unbeholfenen Grobmotorik hätte ich niemals hier erwartet. Bei dem letzten Mordfall in der Vorderpfalz vor drei Monaten hatte Becker eine tragende Rolle gespielt. Kurzzeitig war er sogar tatverdächtig gewesen, hatte er doch das erste Opfer gefunden, und tauchte anschließend bei der Ermittlungsarbeit immer bei recht verdächtigen Gelegenheiten auf. Dabei wollte er nur seinen Traum verwirklichen und einen Krimi schreiben. Ich persönlich mochte Becker wegen seiner ehrlichen und offenen Art.
    Bevor einer von uns jedoch etwas sagen konnte, war Herr Windeisen aufgestanden und schüttelte mir die Hand. Er machte auf mich einen zwiespältigen Eindruck. Zwar sah er genau so aus, wie man sich einen Assistenzarzt vorstellte: jung, athletisch, dynamisch, modisch gekleidet und auch sonst ohne Auffälligkeiten, wenn man von seinen wulstigen und zusammengewachsenen Augenbrauen, die mich sofort an Theo Waigel erinnerten, absah. Dennoch schien er Sorgen zu
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