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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma
Autoren: Brent Weeks
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Gefangene ihn getötet? Wie?
    »Bitte, lass mich gefesselt, wenn du musst, aber bitte, ich will nicht in der Dunkelheit sterben.«
    Kip hielt sich zurück, obwohl es ihm grausam vorkam. »Du hast ihn getötet?«
    »Ich soll beim ersten Tageslicht hingerichtet werden. Ich bin geflohen. Er hat mich überwältigt und mir, bevor er starb, den Sack über den Kopf gestülpt. Wenn die Morgendämmerung nah ist, wird seine Ablösung jetzt jeden Moment kommen.«
    Kip konnte sich noch immer keinen Reim auf das Ganze machen. Niemand in Rekton traute den Soldaten, die durchkamen, und die Alkaldesa hatte den jungen Menschen im Ort eingeschärft, für eine Weile einen großen Bogen um alle Soldaten zu machen – anscheinend hatte Garadul, der neue Satrap, sich von der Chromeria losgesagt.
    Jetzt sei er König Garadul, sagte er, aber er verlange die gewohnten Dienste der jungen Untertanen. Die Alkaldesa hatte seinem Stellvertreter erklärt, dass er, wenn er nicht länger der Satrap sei, kein Recht habe, Truppen auszuheben. König oder Satrap, Garadul konnte nicht glücklich darüber sein, aber Rekton war zu klein, um sich damit abzugeben. Trotzdem wäre es klug, seinen Soldaten auszuweichen, bis Gras über die ganze Sache gewachsen war.
    Andererseits machte der Umstand, dass Rekton sich im Moment nicht gut mit dem Satrapen verstand, diesen Mann noch nicht zu Kips Freund.
    »Also bist du ein Verbrecher?«, fragte Kip.
    »Wie man’s nimmt«, sagte der Mann. Der hoffnungsvolle Ton seiner Stimme verlor sich. »Hör mal, Junge – du bist doch ein Kind, nicht wahr? Du klingst wie eins. Ich werde heute sterben. Ich kann nicht fliehen. Um die Wahrheit zu sagen, ich will es auch gar nicht. Ich bin lange genug davongelaufen. Diesmal kämpfe ich.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Das wirst du schon. Nimm mir die Kapuze ab.«
    Obwohl ein vager Zweifel an Kip nagte, löste er den Halbknoten um den Hals des Mannes und zog den Sack herunter.
    Zuerst hatte Kip keine Ahnung, wovon der Gefangene sprach. Der Mann richtete sich auf, die Arme noch immer hinter dem Rücken gefesselt. Er war vielleicht dreißig Jahre alt und Tyreaner wie Kip, aber mit hellerer Haut. Sein Haar war eher gewellt als kraus, und seine Glieder waren dünn und muskulös. Dann sah Kip die Augen.
    Männer und Frauen, die Licht in ihren Dienst zwingen und zu Luxin wandeln konnten – Wandler –, hatten immer ungewöhnliche Augen. Ein kleiner Rückstand der Farbe, die sie wandelten, blieb in ihren Augen. Im Laufe ihres Lebens färbte dieser Rückstand die ganze Iris rot oder blau oder was immer ihre Farbe war. Der Gefangene war ein Grünwandler – oder war es gewesen. Das Grün hatte den Ring seiner Iris gesprengt und sich in das Weiß des Augapfels ergossen wie Scherben von zerbrochenem Tongeschirr. Kip schnappte nach Luft und wich zurück.
    »Bitte!«, sagte der Mann. »Bitte, der Wahnsinn hält mich nicht in seinen Fängen. Ich werde dir nichts antun.«
    »Du bist ein Farbwicht.«
    »Dann weißt du auch, warum ich aus der Chromeria geflohen bin«, erwiderte der Mann.
    Weil die Chromeria Farbwichte tötete, wie ein Bauer einen geliebten, tollwütigen Hund tötete.
    Kip war drauf und dran, davonzurennen, aber der Mann machte keine drohenden Gebärden. Und außerdem war es immer noch dunkel. Selbst Farbwichte brauchten Licht, um es zu wandeln. Der Nebel wirkte jedoch schon leichter, und ein Hauch von Grau erreichte bereits den Horizont. Es war verrückt, mit einem Wahnsinnigen zu reden, aber vielleicht war es nicht allzu verrückt. Zumindest nicht bis zum Tagesanbruch.
    Der Farbwicht sah Kip seltsam an. »Blaue Augen.« Er lachte.
    Kip runzelte die Stirn. Er hasste seine blauen Augen. Es war eine Sache, wenn ein Fremdländer wie Meister Danavis blaue Augen hatte. Bei ihm sahen sie gut aus. Bei Kip sahen sie aus wie eine üble Laune der Natur.
    »Wie heißt du?«, fragte der Farbwicht.
    Kip schluckte und dachte, dass er wahrscheinlich davonlaufen sollte.
    »Na, bei Orholam, denkst du, ich werde dich mit deinem Namen verhexen? Wie ahnungslos sind die Menschen in dieser Provinz denn? So funktioniert die Chromaturgie nicht …«
    »Kip.«
    Der Farbwicht grinste. »Kip. Nun, Kip, hast du dich jemals gefragt, warum du in einem so kleinen Leben feststeckst? Hast du jemals das Gefühl gehabt, Kip, dass du etwas Besonderes bist?«
    Kip sagte nichts. Ja und ja.
    »Weißt du, warum du das Gefühl hast, für etwas Größeres bestimmt zu sein?«
    »Warum?«, fragte Kip, leise und
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