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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma
Autoren: Brent Weeks
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seiner Kehle an.
    Im Schatten zweier großer, künstlicher Hügel – Überbleibsel von zwei der großen Scheiterhaufen, auf denen Zehntausende verbrannt waren – entdeckte Kip etwas. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Rundung einer Kettenpanzerhaube tauchte aus dem Nebel auf. Das Glitzern von Augen, die die Dunkelheit durchsuchten.
    Dann wurde es von den Nebelschwaden wieder verschluckt.
    Ein Geist. Gütiger Orholam. Irgendeine Seele hielt Wache am Grab ihres Leibes.
    Er versuchte, seiner Entdeckung das Beste abzugewinnen. Vielleicht haben Wölfe Angst vor Geistern?
    Kip wurde bewusst, dass er stehen geblieben war, um in die Dunkelheit zu spähen. Beweg dich, trieb er sich an.
    Er schlich in geduckter Haltung weiter. Er mochte massig sein, aber er hatte sich immer seine Leichtfüßigkeit zugutegehalten. Er riss den Blick von dem Hügel los – nach wie vor keine Spur von dem Geist oder Mann oder was immer es war. Wieder hatte er das Gefühl, dass sich jemand an ihn heranpirschte. Er drehte sich um. Nichts.
    Ein schnelles Klicken, als habe jemand einen kleinen Stein fallen lassen. Und etwas in seinem Augenwinkel. Kip warf einen Blick den Hügel hinauf. Ein Klicken, ein Funke, das Schlagen von Zündstein auf Stahl.
    Während der Nebel für einen denkbar kurzen Augenblick erhellt wurde, konnte Kip einige Einzelheiten erkennen. Kein Geist – ein Soldat, der einen Zündstein anschlug und versuchte, eine Lunte anzubrennen. Sie fing Feuer und warf einen roten Schein auf das Gesicht des Soldaten, so dass seine Augen zu glühen schienen. Er befestigte die Lunte an dem Luntenhalter seiner Muskete und fuhr herum, um in der Dunkelheit sein Ziel zu finden.
    Der Soldat musste sich seine Nachtsicht ruiniert haben, als er in die Flamme der Lunte gestarrt hatte, die jetzt nur noch als rote Glut schwelte, denn sein Blick glitt direkt über Kip hinweg.
    Der Soldat drehte sich abermals abrupt um, als wähne er sich verfolgt. »Was zur Hölle soll ich hier draußen überhaupt sehen? Liebeskranke Wölfe?«
    Sehr, sehr vorsichtig begann sich Kip von dem Mann zu entfernen. Er musste sich tief in den Nebel und die Dunkelheit zurückgezogen haben, bevor die Nachtsicht des Soldaten sich erholte, aber wenn der Mann ihn hörte, würde er vielleicht einfach blind feuern. Kip ging auf Zehenspitzen, lautlos, sein Rücken juckte, und er war davon überzeugt, dass jeden Moment eine Bleikugel ihn zerfetzen würde.
    Aber er schaffte es. Hundert Schritte, und niemand schrie. Kein Schuss zerriss die Nacht. Weiter. Nach zweihundert Schritten sah er Licht zu seiner Linken, von einem Lagerfeuer. Es war so weit heruntergebrannt, dass es inzwischen wohl aus kaum mehr als Kohle bestand. Kip versuchte, es nicht direkt anzuschauen, um sich nicht ebenfalls von dem Licht blenden zu lassen. In der Nähe waren weder Zelte noch Decken zu sehen, nur das Feuer.
    Kip probierte es mit Meister Danavis’ Trick, um in der Dunkelheit zu sehen. Er blickte entspannt in eine unbestimmte Ferne und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf den Rand seines Gesichtsfelds. Nichts außer einer kleinen Unregelmäßigkeit vielleicht. Er schlich sich näher heran.
    Zwei Männer lagen auf dem kalten Boden. Einer war ein Soldat. Kip hatte seine Mutter viele Male bewusstlos gesehen; er wusste sofort, dass dieser Mann nicht ohnmächtig geworden war. Er hatte die Glieder unnatürlich gespreizt, lag ohne jede Decke da, und sein Mund stand offen, während seine Augen ohne einen Wimpernschlag in die Nacht starrten.
    Neben dem toten Soldaten lag ein weiterer Mann, in Ketten, aber lebend. Er lag auf der Seite, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, einen schwarzen Sack über dem Kopf, der um seinen Nacken fest zugebunden war.
    Der Gefangene zitterte. Nein, er weinte. Kip schaute sich um; es war niemand sonst zu sehen.
    »Warum bringst du es nicht zu Ende, verdammt noch mal?«, sagte der Gefangene.
    Kip erstarrte. Er hatte geglaubt, er habe sich lautlos genähert.
    »Feigling«, sprach der Gefangene weiter. »Ich nehme an, du befolgst nur deine Befehle? Orholam wird dich strafen für das, was du diesem Städtchen antun willst.«
    Kip hatte keine Ahnung, wovon der Mann redete.
    Anscheinend sprach sein Schweigen für ihn.
    »Du bist keiner von ihnen.« Ein hoffnungsvoller Ton trat in die Stimme des Gefangenen. »Bitte, hilf mir!«
    Kip trat vor. Der Mann litt. Dann blieb er stehen. Blickte auf den toten Soldaten hinab. Das Hemd des Soldaten war vorn von Blut durchweicht. Hatte dieser
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