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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Wirtschaftsleute zu sehen, erlebte er als den Höhepunkt seiner Karriere. Kein
Geld, kein Bild in der Zeitung ließ sich auch nur annähernd mit dieser
Anerkennung messen.
    Per Ole war der Mann, der den ’87er Crash vorausgesehen
hatte. Doch er hatte nicht orakelt oder gedroht, wie ein Prophet des jüngsten
Gerichts. Kalt und berechnend hatte Per Ole die Wirtschaftswissenschaft
benutzt, um vorauszusagen, was eintreten musste. Als es dann eintrat, war es
eine natürliche Folge, dass die Branche ihn als Genie feierte. Was er jetzt
ans Volk verteilte, war der Überfluss des Genies. Doch was er erklärte, war
eigentlich absolut grundlegend: Er machte deutlich, dass man das Spekulieren an
der Börse mit Bus fahren vergleichen konnte. »Die einen stehen anständig in
der Reihe und warten auf den Bus. Die anderen rennen wie verrückt, weil sie
einen Bus kommen sehen, sie glauben, sie sind zu spät dran, und wollen
unbedingt mitfahren. Doch irgendjemand steuert diesen Bus. Irgendjemand sitzt
auf dem Fahrersitz. Wir reden hier nicht von Leithammeln, die versuchen,
Kleininvestoren zu einer Emission zu locken. Es geht darum, klar zu denken, mit
kühlem Kopf den Signalen und Rahmenbedingungen entsprechend zu handeln. Als
die Osloer Börse an jenem berüchtigten Oktobertag im vergangenen Jahr
zusammenbrach, war es völlig unlogisch, in Panik auszubrechen«, berichtete
Per Ole seinen gespannten Zuhörern. »Ebenso wenig war es logisch, sich den
Strick zu nehmen«, fuhr er fort und fragte: »Was aber war logisch?«
    Per Ole ließ den Blick über die Köpfe der Diplomkaufleute,
Juristen, Volkswirte, Gewerkschaftsbonzen und anderer Besserwisser schweifen,
die täglich mit großem Machogehabe vor ihren Frauen, Geliebten,
Privatsekretärinnen, Auszubildenden und anderen Helden des Alltags angaben.
Jetzt jedoch, in der magischen Atmosphäre des Vorlesungssaals, waren sie zu
Schülern reduziert; die meisten von ihnen fürchteten, etwas Unüberlegtes zu
sagen und sich vor den anderen zu blamieren. Doch auch hier gab es einige, die
härter im Nehmen waren als ihre Mitschüler. Ein paar erkannten, dass Per Ole
Lindeman, dieser trockene Theoriehansel mit Knatterstimme, eine Autorität war,
vor der man sich produzieren sollte. In den Reihen der Schüler befanden sich
ein oder zwei, die die Hand hoben und zu den anderen hinüberschielten.
    Per Ole nickte dem Mann zu, der aufzeigte.
    »Es wäre logisch, zu kaufen!«
    »Genau.«
    Per Ole nickte anerkennend und gönnte es dem Schüler, sich
in der Bewunderung der anderen zu sonnen, ehe er vor Energie strotzend
fortfuhr. Das war sein Evangelium. Er schrie beinahe, und seine Stimme schlug
um ins Falsett: »Das ist das ABC der Börse: Man kauft bei Baisse und verkauft
bei Hausse!«
    Und was hatte er selbst getan? Am Tag, als die Börse
zusammenbrach, hatte er für elf Øre pro Aktie die Firma Snorre gekauft. Heute
belief sich der Kurs auf fast vierzehn Kronen. Er hatte mehrere Millionen
verdient, nur weil er einen kühlen Kopf bewahrt hatte.
    Ein Stöhnen ging durch die Versammlung. Die schweren und
ernsten Männer sahen einander an. Sie grinsten begeistert. So ein Schlitzohr!
Beeindruckt schüttelten sie die Köpfe und sahen einander wieder an.
Zustimmend diesmal. Und hier sitzen wir! Im Glanz des Leuchtturms.
    Nach dem Vortrag kam Vebjørn zu Per Ole und fragte, ob er
ihn zurück in die Stadt mitnehmen könne.
    Per Ole saß am Steuer des Porsches und fuhr seinen Vater,
der auf dem Beifahrersitz thronte. Nach einer Weile räusperte sich Vebjørn
und brach das Schweigen:
    »Du irrst dich.«
    Per Ole hatte die Brille aufgesetzt. Es war Winter. Es war
dunkel. Die Holmenkollenåsen hinunter war es glatt. Er brauchte die Brille im
Gegenlicht der Autos, die ihm aus der weit dort unten funkelnden Stadt in einer
langen Kette entgegenkamen.
    »Hm?«, machte Per Ole, ganz aufs Fahren konzentriert.
    »Der Unterschied zwischen der Wirtschaft und anderen
Wissenschaften«, begann Vebjørn, »zum Beispiel den Naturwissenschaften,
liegt darin, dass die Wirtschaft nicht auf der Wahrheit beruht. Wenn man etwas
mathematisch herleitet, liegen immer Fakten zugrunde. Beispielsweise ist a plus
b gleich c, weil c minus b gleich a ist. Das Gleiche gilt für die Chemie, die
Physik, Biologie und auch für die logische Argumentationstheorie. Wenn alle
Steine eine feste Struktur haben, und wenn Granit ein Stein ist, dann hat
Granit eine feste Struktur.«
    Per Ole
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