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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Lindeman, den ehemaligen
Geschäftsführer der Reederei Spenning & Co, ist eingestellt worden. Auf
Nachfrage von Aftenposten gibt Bent Ruste von der Steuerverwaltung an, dass
dieser Beschluss mehrere Ursachen hat, lehnt aber die Bitte um Erläuterung mit
Hinweis auf seine Schweigepflicht ab. Es stellt sich unterdessen die Frage, ob
der Streit damit beigelegt ist. In zwei Wochen finden Regionalwahlen statt. Es
hat nun den Anschein, als würden Spennings verschwundene Steuermillionen zum
Thema des Wahlkampfes. Die Sozialistische Linke wird die Sache auf jeden Fall
aufs Tapet bringen. »Es ist unmöglich, dass unser System und unsere
Verwaltung Gangster in Schlips und Kragen beschützen«, sagte ein Mitglied der
Osloer Sozialistischen Linken. »Der Beschluss muss aufgehoben, die Schuldigen
bestraft und die Millionen nach Hause geholt werden. Der Konzernchef von
Spenning AS, Vebjørn Lindeman, wollte sich gestern zu diesem Sachverhalt nicht
äußern.

38
    Anders?« »Hm?«
    »Kannst du nicht etwas Schönes über mich sagen?« »Du
duftest nach Laken und in deiner Stimme klingt die Nacht.«
    »Nein, sag etwas Richtiges.«
    Anders und Irene gingen am Sognsvann spazieren. Es war spät
und ein wenig kühl. Eine Laterne am gegenüberliegenden Ufer warf einen
bleichen Lichtschein auf das Wasser. Ein Stück weiter entfernt fuhr ein Auto
vorüber. Als das Scheinwerferlicht mit dem der Laterne verschmolz, färbte
sich die Lichtsäule auf dem Wasser gelb; wie ein riesiges Thermometer.
    Wenn Irene ging, sah sie immer so aus, als würde sie
frieren. Sie vergrub die Hände tief in den Ärmeln der Jeansjacke. Unter der
Jacke, dem Pullover und dem Unterhemd hatte sie kleine, runde Brüste. Sicher
würden sie ihre Form ein Leben lang behalten, dachte er, als sie sich auf zwei
Baumstümpfen niederließen. Irenes Haar fiel ihr ins Gesicht und verlieh ihrer
Silhouette dramatische Schatten. Er fügte hinzu: »Ich verstehe nicht, wie du
das schaffst.« »Hast du nie davon geträumt, jemand anders zu sein?« Anders
überlegte. Er hatte einmal davon geträumt, Mohammed Ali zu sein, als der
Boxer noch Cassius Clay hieß. Später hatte er davon geträumt, Bob Dylan zu
sein, oder besser gesagt, nicht Bob Dylan direkt, sondern so wie Bob Dylan:
geschickt mit Worten.
    »Vielleicht«, sagte er und fügte hinzu: »Aber wenn du
völlig in deiner Rolle als anderer Mensch aufgehst, wo bist du dann?«
    »Die Rollenfigur existiert ja bloß im Rahmen des Stücks.
Eine Replik fordert die Replik des Gegenspielers. Das Universum ist auf die
Bühne beschränkt. Die Rollenfigur existiert nur in diesem Augenblick. Sie ist
weg, wenn der Vorhang fällt, auch davor. Hinter der Bühne ist sie fort.«
    Er dachte über das, was sie gesagt hatte, nach.
    Sie erhob sich, ging die zwei Meter zu ihm hinüber und
setzte sich auf seinen Schoß.
    »Ich glaube, eigentlich geht es jedem so«, sagte sie.
    »Wie?«
    »Jeder träumt manchmal davon, jemand anders zu sein.«
    Er umfasste ihre Taille und setzte sich zurecht. »Ich
glaube, ich kenne mich selbst noch nicht gut genug, um mich schon von mir
wegzuwünschen«, sagte er.
    Noch lange saßen sie schweigend da, bevor sie aufstanden.
Sie schlenderten den Schotterpfad unter den Bäumen entlang. Sie nahm seine
Hand. Er mochte das nicht, doch sie hielt ihn fest und schaute grinsend zu ihm
auf, wie um ihm zu signalisieren, dass ihr sein Missfallen egal war. Still
gingen sie Hand in Hand. Anders warf einen Blick über die Schulter. Das Licht
auf dem Wasser war verschwunden.
    Anders kam gegen elf Uhr am Vormittag nach Hause. Bette Lines
BMW stand auf dem Bürgersteig. Er holte tief Luft. Es graute ihm. Sollte er
einfach umkehren und später wiederkommen? Nein, immerhin war es seine
Wohnung.
    Als er hereinkam, saß sie am Küchentisch, vor sich eine
halb geleerte Flasche Rotwein. Sie drehte sich nicht zu ihm um, sagte nichts.
Er dachte: Es ist noch nicht mal zwölf Uhr, und sie hat schon die Lichter an.
Er witterte ihre Laune und schwieg ebenfalls. Er ging an ihr vorbei, war kaputt
und wollte duschen.
    »Hallo«, sagte sie hinter seinem Rücken.
    Er antwortete nicht.
    »Warum antwortest du nicht?«
    »Ich warte auf die Frage.«
    »Welche Frage?«
    Er betrachtete sich im Spiegel, fuhr sich über das Gesicht,
das eine Rasur nötig hatte. »Die ewige Frage. Die
Wo-warst-du-heute-Nacht-Frage.«
    Stille.
    Anders begann sein Hemd auszuziehen.
    »Wo warst du?«
    Er musste lächeln. Zog das
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