Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Echo

Schwarzes Echo

Titel: Schwarzes Echo
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
Anrufbeantworter ein, nahm zwei Päckchen Zigaretten aus dem Schrank und schob sie in die Tasche seines Sakkos. Dann griff er in einen anderen Schrank und holte den Nylon-Holster hervor, in dem seine Waffe steckte, eine 9 mm Smith & Wesson, geladen mit acht XTPs. Bosch dachte an die Anzeige, die er in einem Polizeimagazin gesehen hatte. Garantiert tödlich. Ein Geschoß, das beim Aufprall zum Anderthalbfachen seiner Größe anwächst, tödlich tief in den Körper eindringt und maximale Einschußkanäle hervorruft. Wer immer das geschrieben hatte, wußte, wovon er redete. Vor einem Jahr hatte Bosch einen Mann aus sieben Metern Entfernung erschossen. Drang unter der rechten Achsel ein, trat unter der linken Brustwarze aus, zerschlug dabei Herz und Lunge. XTP. Maximale Einschußkanäle. Er klemmte den Holster auf der rechten Seite an seinen Gürtel, damit er ihn mit der linken Hand greifen konnte.
    Er ging ins Badezimmer und putzte sich die Zähne ohne Zahnpasta: Er hatte keine mehr und vergessen, welche zu besorgen. Er zerrte einen feuchten Kamm durch sein Haar und starrte einen Moment lang seine rot umränderten, vierzig Jahre alten Augen an. Dann untersuchte er die grauen Haare, die das Braun aus seinem lockigen Haar mehr und mehr verdrängten. Sogar der Schnurrbart wurde grau. Beim Rasieren hatte er graue Stoppeln im Waschbecken entdeckt. Er betastete sein Kinn, beschloß, sich nicht zu rasieren, und ging aus dem Haus, ohne auch nur die Krawatte gewechselt zu haben. Seinem Klienten war es ohnehin egal.

    Bosch fand eine Stelle ohne Taubenscheiße und stützte seine Ellbogen auf das Geländer, das oben am Mulholland-Damm entlang lief. Zwischen seinen Lippen steckte eine Zigarette. Durch zwei Hügel konnte er hinunter auf die Stadt sehen. Der Himmel war pulvergrau, und wie ein Leichentuch lag der Smog über Hollywood. Einige ferne Türme der Innenstadt ragten aus der Giftwolke auf, doch der Rest der Stadt blieb unter der Decke verborgen. Hollywood sah aus wie eine Geisterstadt.
    Ein leicht chemischer Geruch lag in der warmen Brise, und nach einer Weile wußte er, was es war. Malathion. Im Radio hatte er gehört, daß die Helikopter in der Nacht Nord-Hollywood bis hin zum Cahuenga Pass mit Gift gegen die Fruchtfliegen besprüht hatten. Sein Traum fiel ihm ein, und er erinnerte sich an den Hubschrauber, der nicht landen wollte.
    Hinter ihm erstreckte sich die blaugrüne Weite des Wasserreservoirs der Stadt, zweihundertvierzig Millionen Liter Trinkwasser, gebändigt von einem altehrwürdigen Damm im Canyon zwischen zwei Hollywood-Hügeln. Ein zwei Meter breiter Streifen aus getrocknetem Lehm zog sich am Ufer entlang und erinnerte daran, daß L. A. das vierte Jahr einer Dürreperiode erlebte. Weiter oben am Ufer des Bassins gab es einen drei Meter hohen Maschendrahtzaun, der das gesamte Ufer umfaßte. Bei seiner Ankunft hatte sich Bosch diesen Zaun genauer angesehen und gefragt, ob damit die Leute vor dem Wasser oder das Wasser vor den Leuten geschützt werden sollte.
    Bosch trug einen braunen Overall über seinem zerknitterten Anzug. Schweiß zeichnete sich durch beide Kleiderschichten unter seinen Achseln und am Rücken ab. Sein Haar war feucht, sein Bart hing. Er war in der Röhre gewesen. Er spürte, wie das leise, warme Kitzeln der Santa-Ana-Winde den Schweiß in seinem Nacken trocknete. Sie kamen früh in diesem Jahr.
    Harry war kein großer Mann. Er war knapp unter eins achtzig und schlank gebaut. Die Zeitungen – wenn sie ihn beschrieben – nannten ihn »drahtig«. Unter dem Overall hatte er Muskeln wie Nylonseile, kräftig, aber nicht protzig. Seine Augen waren schwarzbraun und gaben nur selten Gefühle oder Absichten preis.
    Die Röhre lag über der Erde und verlief etwa fünfzig Meter an der Zufahrtsstraße zum Wasserbecken entlang. Drinnen wie draußen war sie verrostet. Sie war leer und unbenutzt, sah man von denen ab, die ihr Inneres als Unterkunft oder ihr Äußeres für Graffiti benutzten. Bosch hatte keine Ahnung, wozu sie diente, bis der Aufseher der Anlage es ihm mitteilte. Die Röhre war ein Schlammschutz. Heftiger Regen, sagte der Aufseher, könne Erdmassen lösen und Schlamm von den Hügeln ins Becken abrutschen lassen. Die ein Meter dicke Röhre, die von irgendeinem vergessenen Projekt stammte, war zum Schutz des Wasserreservoirs in einem gefährdeten Bereich angebracht worden. Sie wurde von einer zentimeterdicken Eisenstrebe gehalten, die im Beton darunter eingegossen war.
    Bosch hatte seinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher