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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod
Autoren: Greg Iles
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beschreiben müssen. »Wollen Sie mir etwas mitteilen, Rabbi?« fragte ich bedächtig. »Brauchen Sie ärztlichen Rat?«
    »Nein, nein, mir geht es ganz gut für mein Alter - Gott sei Dank. Aber es gibt tatsächlich etwas, worüber ich gern mit Ihnen sprechen würde, Mark. Etwas, das Ihr Großvater Ihnen wohl erzählen wollte ... irgendwann. Ich vermute, daß er nicht mehr rechtzeitig dazu gekommen ist.«
    »Wovon reden Sie?«
    »Über das, was Ihr Großvater im Krieg getan hat, Mark. Haben Sie jemals darüber gesprochen?«
    Ich spürte, wie ich errötete. »Nein. Er hat niemals über die Vergangenheit gesprochen. >Ich habe meine Pflicht getan, als es erforderlich gewesen ist< war alles, was ich je aus ihm herausbekommen konnte.«
    »Das sieht ihm ähnlich.«
    »Er hat auch niemals mit meiner Großmutter darüber gesprochen«, beichtete ich zu meiner eigenen Überraschung. »Sie hat es mir erzählt, und ... es hat sie verletzt. Es war wie ein ... ein Loch in unserem Leben. Ein kleines vielleicht, aber trotzdem: Es war da. Ein dunkler Fleck, verstehen Sie?«
    Rabbi Leibowitz nickte. »Ein sehr dunkler Fleck sogar, und ich glaube, es wird langsam Zeit, daß jemand für Sie ein bißchen Licht darauf wirft.«
    Eine Viertelstunde später standen wir im Arbeitszimmer des großelterlichen Hauses. In diesem weitläufigen, mit Schindeln verschalten Landhaus waren drei Generationen von Ärzten aufgewachsen. Wir standen vor dem stählernen, feuersicheren Safe, in dem mein Großvater immer seine persönlichen Unterlagen aufbewahrt hatte.
    »Kennen Sie die Kombination?« fragte der Rabbi.
    Ich schüttelte den Kopf. Er griff in seine Gesäßtasche, zog seine Brieftasche hervor und kramte darin herum, bis er gefunden hatte, was er suchte. Eine kleine weiße Visitenkarte, die meines Großvaters. Der Rabbi las einige Zahlen von der Rückseite ab und sah mich anschließend erwartungsvoll an.
    »Hören Sie, Rabbi ...« Mir wurde allmählich unbehaglich. »Ich weiß nicht genau, was wir hier wollen. Ich meine, ich weiß, daß Sie und meine Großeltern miteinander bekannt waren, aber ich wußte nicht, daß Sie sich so nahe standen. Und ehrlich gesagt glaube ich kaum, daß irgend etwas in diesem Safe Sie etwas angehen könnte.« Ich hielt inne. »Es sei denn ... Hat er der Synagoge etwas in seinem Testament hinterlassen? Ist es das?«
    Leibowitz kicherte. »Sie sind ein mißtrauischer Mensch, Mark, genau wie Ihr Großvater. Nein, das hier hat nichts mit Geld zu tun. Um ehrlich zu sein, bezweifle ich, daß Mac viel hinterlassen hat. Bis auf seine Lebensversicherung; aber die beläuft sich nur auf etwa 50 000 Dollar, glaube ich. Er hat den größten Teil seines Geldes verschenkt.«
    Ich blickte ihn von der Seite her an. »Woher wissen Sie das alles?«
    »Ihr Großvater und ich waren mehr als nur Bekannte, Mark. Wir waren enge Freunde. Und von dem Geld weiß ich, weil er viel davon der Synagoge gespendet hat. Er glaubte, daß Sie nach erfolgreichem Medizinstudium auf eigenen Beinen stehen könnten, genauso wie er davon ausging, daß Ihre Großmutter allein zurechtkommen würde, falls er zufällig als erster sterben würde. Natürlich gehört ihm dieses Haus. Das bekommen Sie. Und was das Geld anging, das er mir gegeben hat: Es war für verfolgte Juden bestimmt, die versuchten, Israel zu erreichen.« Leibowitz drehte seine schwieligen Handflächen nach oben. »Das alles hat seine Wurzeln im Krieg, Mark. Es hängt mit dem zusammen, was Ihr Großvater im Krieg getan hat. Wenn Sie diesen Safe öffnen, wird Ihnen alles sehr viel klarer werden.«
    Man konnte dieser vernünftigen, aufrichtigen Stimme nur schwer widersprechen. »Einverstanden.« Ich wußte zwar, daß ich manipuliert wurde, aber seltsamerweise konnte ich mich nicht dagegen wehren. »Lesen Sie die Kombination noch einmal vor.«
    Während Leibowitz las, drehte ich das Schloß, bis ich ein deutliches Klick hörte; dann zog ich die schwere Tür auf. Ganz vorn lag ein großer Stapel Papiere. Genau, was ich erwartet hatte. Es schien sich um Besitzurkunden zu handeln: über die beiden Autos, das Haus und Belege über eine uralte Hypothek.
    »Sehen Sie eine Schachtel?« fragte der Rabbi. »Sie müßte ziemlich flach sein, und nicht sehr groß.«
    Sorgfältig durchsuchte ich die Unterlagen. Natürlich. Am Boden des Papierstapels stieß ich mit den Fingern gegen eine flache Holzschachtel. Ich nahm sie aus dem Safe. Sie bestand aus einfachem Kiefernholz und maß etwa zwölf Zentimeter im
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