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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod
Autoren: Greg Iles
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Quadrat. Ich hatte sie noch nie gesehen.
    »Öffnen Sie sie«, befahl Leibowitz.
    Ich warf ihm einen Blick über die Schulter zu, drehte mich wieder um und hob den Deckel an. Das polierte Metall glänzte im Licht.
    »Was ist das?«
    »Das Victoria-Kreuz. Es ist der begehrteste Orden des Britischen Empires. Haben Sie davon gehört?«
    »Das Victoria-Kreuz ... Hat das nicht Michael Caine in dem Film Zulu verliehen bekommen?«
    Leibowitz schüttelte langsam den Kopf. »Fernsehen«, murmelte er. »Ja, das Victoria-Kreuz wurde einer Handvoll Engländern verliehen, die eine übermächtige Zulu-Armee am Rorke's Drift in Südafrika zurückgeschlagen haben.«
    Vorsichtig hob ich das Kreuz aus seiner Schachtel und betrachtete es im Licht. Es bestand aus Bronze und hing an einem roten Band. Im Mittelpunkt des Kreuzes befand sich ein Löwe, der auf einer Krone thronte, und darunter waren in einer Schriftrolle die Worte eingraviert: FÜR TAPFERKEIT.
    Rabbi Leibowitz' Worte schienen sich an eine kleine VerSammlung zu richten, als er fortfuhr. »Die Liste der Empfänger des Victoria-Kreuzes besteht aus den berühmtesten Namen der britischen Militärgeschichte, Mark, und offiziell haben nur 1350 Menschen diese Ehrung je empfangen, seit Königin Victoria diesen Orden 1856 eingeführt hat. Aber es gibt noch eine Liste, eine sehr viel kürzere Liste, die nur der König und der Premierminister kennen. Es ist die Geheime Liste, und auf ihr befinden sich die Namen all jener Personen, die beispiellose Tapferkeit im Angesicht des Feindes gezeigt haben, aber deren Taten von so heikler Natur waren, daß sie niemals enthüllt werden dürfen.« Er holte tief Luft. »Der Name Ihres Großvaters steht auf dieser Liste, Mark.«
    Ich fuhr erstaunt herum. »Sie scherzen wohl! Er hat mir gegenüber so etwas nie erwähnt!«
    Der alte Rabbi lächelte geduldig. »Das war die Bedingung, die mit der Verleihung einherging. Der Orden durfte niemals in der Öffentlichkeit getragen werden. Ich nehme an, daß dieses geheime Kreuz verliehen wurde, damit in dunkler Nacht, lange nachdem der Ruhm verblaßt war, Männer wie Ihr Großvater etwas hatten, was sie daran erinnerte, daß ihre ... ihre Opfer anerkannt wurden.« Leibowitz wirkte nachdenklich. »Trotzdem erfordert es eine besondere Persönlichkeit, einen solchen Ruhm geheimzuhalten.«
    »Großvater war kein Egomane«, stimmte ich ihm zu. »Aber er war auch nicht sonderlich bescheiden. Er hat niemals die Meriten versteckt, die er sich verdient hat.«
    Leibowitz seufzte traurig. »Mac hat diese Ehre ebenfalls verdient, doch er war nicht gerade stolz auf das, was er dafür getan hat. Er hat den Krieg immerhin aus Gewissensgründen abgelehnt.«
    »Das wußte ich nicht.«
    »Mark, vor langer Zeit ist Ihr Großvater zu mir gekommen, um mit mir über etwas zu sprechen, was ihn zutiefst beunruhigte. Er hatte mit seinem Pastor darüber gesprochen, aber er meinte, dieser Mann hätte nicht wirklich begriffen, über was er redete. Der Pastor hat Mac nur gesagt, er wäre ein Held und hätte keinen Grund, sich für das zu schämen, was er getan hatte. Mac hat eine Weile allein mit sich gerungen und ist schließlich zu mir gekommen.«
    »Warum ausgerechnet zu Ihnen?«
    »Weil ich ein Jude bin. Er dachte wohl, daß ich ihm einen besonderen Blickwinkel des Problems vermitteln und ihm helfen könnte, seine Seele zu erleichtern.«
    Ich schluckte. »Und? Haben Sie das getan?«
    »Ich habe mein Bestes gegeben. Wirklich. Und zwar einige Jahre lang. Er war dankbar für meine Bemühungen. Aber ich habe nie wirklich Erfolg gehabt. Ihr Großvater hat seine Bürde mit ins Grab genommen.«
    »Na gut, dann sollten Sie es mir aber jetzt endlich erzählen. Was hat er denn so Schreckliches getan? Und wann hat er es getan? Er hat mir gesagt, daß er den Krieg in England verbracht habe.«
    Leibowitz blickte in eine unbestimmte Ferne. »Er hat die meiste Zeit des Krieges in England verbracht, das stimmt, und in Oxford geforscht. Aber in nur zwei kurzen Wochen ist Ihr Großvater ziemlich weit gereist, und seine Reise hat ihn letztlich zu einem Ort geführt, der der Hölle auf Erden sehr ähnlich gewesen sein muß.«
    »Und wo soll das gewesen sein?«
    Leibowitz' Miene wurde hart. »Zu einem Ort namens Totenhausen, in der Nähe der Recknitz, in Norddeutschland.
    Und wann Mac dort gewesen ist, das erfahren Sie, wenn Sie das Kreuz umdrehen.«
    Ich gehorchte. Auf der Rückseite waren die Worte eingraviert:
    Mark Cameron McConnell, M. D. 15.
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