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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling
Autoren: Bernard Minier
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sind.«
    »Wonach?«
    »Kommen Sie, ich werde Sie vorstellen.«
    Sie ging ihm durch die Halle voraus. Ihre Schritte hallten in dem riesigen Saal wider. Für wen hatte man nur mitten im Gebirge all diese Bauten errichtet? Für ein zukünftiges Geschlecht von Übermenschen? Es waren steinerne Zeugnisse des unbedingten Glaubens an eine strahlende, gigantische industrielle Zukunft, eines Fortschrittsoptimismus, der längst vergangen war, sagte er sich. Sie steuerten auf einen verglasten Büroraum zu. Im Innern standen Aktenschränke aus Metall und etwa zehn Schreibtische. Sie schlängelten sich zwischen den Möbeln hindurch und traten zu einer kleinen Gruppe in der Mitte des Raumes. D’Humières stellte alle einander vor: Capitaine Rémi Maillard, Chef der Gendarmeriebrigade von Saint-Martin, und Capitaine Irène Ziegler von der Kriminaltechnik bei der Gendarmerie in Pau, der Bürgermeister von Saint-Martin – klein, breitschultrig, Löwenmähne und zerfurchtes Gesicht – und der Direktor des Wasserkraftwerks, ein Ingenieur, der auch wie ein typischer Ingenieur aussah: kurzes Haar, Brille und sportlicher Look mit seinem Rollkragenpulli und dem gefütterten Anorak.
    »Ich habe Commandant Servaz gebeten, uns zu helfen. Als ich Staatsanwältin in Toulouse war, habe ich mit seiner Dienststelle zusammengearbeitet. Sein Team hat uns geholfen, mehrere schwierige Fälle zu lösen.«
    »… hat uns geholfen …« Das war mal wieder typisch für d’Humières. Immer wollte sie die erste Geige spielen. Aber schon im nächsten Moment sagte er sich, dass es etwas ungerecht war, so zu denken: Er hatte in ihr eine Frau gefunden, die ihren Beruf liebte – und die weder Zeit noch Mühe scheute. Er schätzte das. Servaz mochte entschlossene, seriöse Leute. Er selbst gehörte auch zu dieser Kategorie: gewissenhaft, beharrlich und vermutlich langweilig.
    »Commandant Servaz und Capitaine Ziegler werden die Ermittlungen gemeinsam leiten.«
    Servaz sah, wie das schöne Gesicht von Capitaine Ziegler seinen Glanz verlor. Ein weiteres Mal dachte er bei sich, dass es sich um einen bedeutenden Fall handeln müsse. Ermittlungen, die gemeinsam von Polizei und Gendarmerie durchgeführt werden sollten: Das würde zu einer unerschöpflichen Reihe von Konflikten, Rivalitäten und der Unterdrückung von Beweisstücken führen – aber es entsprach auch dem Zeitgeist. Zudem war Cathy d’Humières auch ehrgeizig genug, um den politischen Aspekt der Dinge nie aus dem Auge zu verlieren. Sie hatte rasch Karriere gemacht: Staatsanwältin, Erste Staatsanwältin, Oberstaatsanwältin … Vor fünf Jahren war sie an die Spitze der Staatsanwaltschaft von Saint-Martin berufen worden, und Servaz war überzeugt, dass sie nicht auf halbem Weg stehenbleiben wollte: Die Staatsanwaltschaft von Saint-Martin war zu klein, zu weit weg von den bedeutenden politischen Ereignissen, als dass diese Position ihren brennenden Ehrgeiz auf Dauer hätte befriedigen können. Er war sich absolut sicher, dass sie in ein oder zwei Jahren an die Spitze eines bedeutenden Gerichts ernannt werden würde.
    »Wurde die Leiche hier im Kraftwerk gefunden?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Maillard, »dort oben.« Er deutete mit dem Finger zur Decke. »An der Endstation der Seilbahn in zweitausend  Meter Höhe.«
    »Wer benutzt die Seilbahn?«
    »Die Arbeiter, die die Maschinen dort oben warten«, antwortete der Direktor des Kraftwerks. »Es ist eine Art unterirdische Fabrik, die autonom funktioniert. Sie leitet das Wasser aus dem oberen See in die drei Fallleitungen, die man von außen sieht. Normalerweise kann man nur per Seilbahn dorthin gelangen. Es gibt auch noch einen Hubschrauberlandeplatz – allerdings ausschließlich für medizinische Notfälle.«
    »Kein Weg, keine Straße?«
    »Es gibt einen Pfad, der im Sommer begehbar ist. Aber im Winter liegt er unter einer meterdicken Schneeschicht.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass der Täter die Seilbahn benutzt haben muss? Wie funktioniert sie?«
    »Ganz einfach: Man braucht einen Schlüssel und drückt einen Knopf, um sie in Gang zu setzen. Und wenn es ein Problem gibt, drückt man einen großen roten Knopf, um alles anzuhalten.«
    »Der Schrank mit den Schlüsseln steht hier«, schaltete sich Maillard ein und deutete auf einen Metallkasten an der Wand, der mit Siegeln versehen worden war. »Er ist aufgebrochen worden. Die Leiche wurde an der letzten Seilbahnstütze aufgehängt, ganz oben. Es steht außer Zweifel, dass der oder
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