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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen
Autoren: Masuji Ibuse
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lehnte sich von Zeit zu Zeit über den Bootsrand und schöpfte mit
einem großen Kescher Abfälle heraus, die im Wasser schwammen, um zu sehen, was
vom Meer angeschwemmt wurde. „He, Tanomura!“ rief er plötzlich dem
Schiffsführer zu. „Jetzt setzt wohl die Ebbe ein, wie?“ Er starrte auf ein
Stück Holz, das er eben aufgefischt hatte. Es war nicht mehr als ein Splitter,
drei Zoll breit und sechs Zoll lang, irgendwo herausgebrochen. Und doch blickte
unser Fahrer ganz finster drein. Ich rückte näher, um es mir anzusehen, und
blickte dann fast instinktiv weg. Das Stück stammte ganz sicher von einem
Dielenbrett aus dem Korridor eines Hauses. Es war völlig verkohlt bis auf eine
Zeichnung des Fujiyama mit einem Segelboot und einer Kiefer, die weiß und
unverbrannt auf dem Holz stand. Die Dielenbretter mußten von der Hitze versengt
worden sein, als der ungeheuerliche Feuerball hoch über Hiroshima aufzuckte,
und das Holz blieb nur dort unversehrt, wo der Schatten des Musters von der
Milchglasscheibe hinfiel. Der Luftdruck hatte dann das Holzstück hochgewirbelt,
und es war in den Fluß oder ins Meer gefallen. Herr Nojima warf es ins Meer
zurück.
    Das Boot erreichte die Miyuki-Brücke auf dem
rechten Ufer des Kyobashi. Oberhalb der Brücke war der Fluß in Rauchschwaden
gehüllt. Es war unmöglich, auszumachen, was in der Umgebung des Rathauses vor
sich ging, wohin man blickte, loderten Flammen. Die Luft war diesig und düster,
als wollte es gleich Nacht werden. Senda-machi war noch unversehrt. Wir gingen
an Land, stießen aber gleich auf eine Absperrung durch Militärpolizei, die
keinen durchließ.
    Frau Doi trat an einen Polizisten heran und
sagte ihm ins Gesicht: „Wir wohnen hier in Senda-machi. Wir haben Kinder zu
Hause. Warum lassen Sie uns nicht durch? Ich muß jedenfalls durch!“
    „Hier ist eine Katastrophensperre“, erwiderte er
unwirsch, „und wenn ich sage ,Stehenbleiben’ , dann
bleiben Sie stehen.“
    Herr Nojima zog sich niedergeschlagen von der
Absperrung zurück. Er tat so, als wollte er weggehen, und raunte uns zu: „Kommt
alle mit, mir nach, wir wollen uns mal der Weisheit — oder sollte ich lieber
sagen der Verschlagenheit — unserer Vorfahren bedienen. Das ist ein Trick,
während des Teiyu-Aufstandes, da hat es Chusa Oshio so gemacht. Los, kommt!“ Er
ging in die ungepflasterte Durchfahrt eines der Häuser und durchquerte sie
einfach von der Vorderfront bis zur Hinterfront. Dann trat er in den
rückwärtigen Eingang eines Hauses, das hinter dem ersten stand, lief wieder
geradewegs durch die Durchfahrt und kam an der anderen Seite auf eine breite
Straße. Die Häuser standen alle schief, der Putz war von den Wänden gefallen,
kein Mensch zu sehen. „Na so was!“ rief Frau Miyaji. Ich gebe zu, ich war auch
ziemlich aufgeregt. Denn trotz aller guten Einfälle, die Herr Nojima hatte, was
wäre passiert, wenn jemand in den Häusern gewesen wäre, in die wir einfach
eingedrungen waren. Glücklicherweise schienen alle geflohen zu sein, aus Angst,
daß das Feuer sie auch hier erreichte. Mein Herz schlug beim Verlassen der
Durchfahrt schneller als beim Hineingehen.

Zweites Kapitel
     
     
    An dieser Stelle beschloß Shigematsu, sich von
seiner Frau Shigeko beim Übertragen der restlichen Tagebuchaufzeichnungen
seiner Nichte helfen zu lassen. Ihre Handschrift war nämlich besser als seine.
Außerdem hatte er mit Shokichi und einem anderen Mann, Asajiro, begonnen,
Karpfen zu züchten. Und irgendwie fühlte er sich unwohl, wenn er nicht — ganz
unnötigerweise übrigens — nach dem Teich sah, in dem sie die Brut hielten. Er
war vorgestern zweimal dort gewesen und gestern dreimal, trotz des Regens. Bei
der Abendmahlzeit hatte Yasuko mitfühlend zu ihm gesagt: „Es ist wohl eine Art
Andachtsübung für dich, den Teich zu inspizieren, nicht wahr, Onkel? Ich kann
mir nicht denken, daß es solchen Spaß macht.“ Aber da hatte sie unrecht: Es
bereitete ihm solches Vergnügen, wie kein Außenstehender ahnen konnte, ein
Vergnügen, das nur mit dem Angeln zu vergleichen war.
    „Shigeko!“ rief er seiner Frau beim Hinausgehen
zu. „Ich geh meine ,Andachtsübung “ machen. Kannst du
nicht das Tagebuch weiter abschreiben. Aber schreib lieber nicht in deiner
Schönschreiblehrer-Handschrift, nimm, soweit wie möglich, die einfachen
Zeichen. Diese Schmuckformen sind nicht gerade praktisch. Die Vermittlerin kann
sie vielleicht nur schwer lesen.“ Er machte sich auf den Weg zum Teich auf
Shokichis
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