Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen
Autoren: Karl Olsberg
Vom Netzwerk:
anderes an, so ein blaues Kleid.«
    Fabienne hätte sich ohrfeigen können. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie bisher kein einziges Mal erwähnt hatte, welche Kleidung Yvonne heute trug. Sie wusste es nicht einmal selbst, hatte vergessen, Nora danach zu fragen.
    »Heute nicht?«
    »Nein, leider.«
    »Gut. Vielen Dank.«
    »Keine Ursache. Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht helfen konnte. Aber Sie werden sie bestimmt finden.« Er lächelte aufmunternd.
    |45| Fabienne bemühte sich zurückzulächeln.
    Er schloss die Tür. Gedankenverloren ging sie zum Treppenhaus, um den nächsten Stock in Angriff zu nehmen.
    Die verdammten Karten gingen ihr nicht aus dem Kopf. Fünf große Arkana. Ihre Botschaft schien ziemlich dringend zu sein. Doch was wollten sie ihr sagen? Dass Yvi umgebracht worden war?
    Nein. Sie wusste nicht genau, warum, aber sie war sicher, dass das nicht die Botschaft gewesen war. Stattdessen sah sie immer wieder die Turm-Karte vor sich, den Blitz, die brennenden Menschen, die sich in die Tiefe stürzten. Es war erschreckend, wie sehr die Karte den Fernsehbildern des brennenden World Trade Center glich. So, als hätte die Künstlerin, die die Karten fast hundert Jahre zuvor entworfen hatte, bereits diese Katastrophe vor Augen gehabt. Aber was sollte das Bild bedeuten? Wovor warnten die Karten?
    Sie verdrängte die Gedanken an Tarot und dachte über das Gespräch gerade eben nach. Etwas war merkwürdig gewesen. Nach all den vorherigen Zurückweisungen hatte der Mann überraschend freundlich reagiert. Er war nicht misstrauisch gewesen wie die anderen, die in Fabienne zunächst vielleicht eine Trickbetrügerin oder Bettlerin vermutet hatten. Es war beinahe, als habe er sie erwartet. Und die Präzision seiner Beobachtungen! Er hatte genau gewusst, was Yvi gestern angehabt hatte. Er war sich seiner Sache ganz sicher gewesen. Er kannte sie offenbar gut.
    Zu gut.
    Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als ihr klar wurde, dass sie möglicherweise gerade mit Yvonnes Entführer gesprochen hatte.

|46| 4.
    Polizeimeister Ewald Sikorsky sah auf die Uhr. Nur noch eine Viertelstunde bis zum Feierabend. Wie jeden Mittwoch war er auch heute Abend zur Skatrunde verabredet. Mit seinen beiden Skatbrüdern trainierte er für die Teilnahme an den Frankfurter Meisterschaften im Herbst. Er rechnete sich allerdings nur geringe Chancen aus. Lothar hatte immer noch nicht gelernt, wie man mitzählte, und Klaus überreizte ständig, weil er unbedingt das Spiel machen wollte, egal wie klein seine Gewinnchancen auch waren. Sikorsky selbst hatte als Einziger begriffen, worum es beim Skat ging. Vielleicht war es an der Zeit, sich ein paar kompetentere …
    Die Tür zum Revier öffnete sich, und ein Mann kam herein. Er wirkte verwahrlost, mit langem, ungekämmtem Haar und einem verfilzten Bart. Sein grünes T-Shirt war fleckig und schlabberte um seinen dürren Körper. Seine grauen Augen hatten eine fast beängstigende Intensität. Sikorsky wusste sofort, dass der Typ anstrengend werden würde. Und das ausgerechnet jetzt!
    »Ich … ich möchte eine Meldung machen.«
    »Name?«, fragte Sikorsky.
    »Was?«
    Sikorsky seufzte. »Ihr Name, bitte?«
    »Ach so. Langen. Friedhelm Langen.«
    Der Polizeimeister tippte den Namen in die Bildschirmmaske. »Wohnhaft?«
    »Claudiusstraße 17. Dritter Stock.«
    »Geboren?«
    »17.12.1970.«
    |47| »Und was möchten Sie melden?« Sikorsky tippte auf eine verdächtige Beobachtung, die sich bei Nachprüfung wahlweise als Ehekrach, harmloser Kinderstreich oder Sinnestäuschung herausstellen würde. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Typ etwas besaß, das stehlenswert gewesen wäre.
    »Es wird etwas geschehen!«, sagte Langen.
    Sikorsky betrachtete den Mann vor sich genauer. Etwas gefiel ihm nicht an der Art, wie er das sagte. Sein Blick wirkte gehetzt. Irgendetwas trieb den Mann. Vielleicht wollte er die Polizei vor dem warnen, was tief in seinem Inneren tobte. Während eines Seminars über Täterpsychologie hatte Sikorsky gelernt, dass man vermeintlich harmlose, wirre oder verrückte Signale besonders ernst nehmen sollte.
    »Was wird geschehen?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht genau. Eine schreckliche Katastrophe. Die Explosion eines Atomkraftwerks vielleicht, oder ein Terroranschlag.«
    Also doch nur ein Spinner, wahrscheinlich bis obenhin zugedröhnt mit Drogen. Sikorsky hatte zwar absolut keine Lust, den Mann jetzt noch zur medizinischen Untersuchung dazubehalten und sich den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher