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Schwarze Stunde

Schwarze Stunde

Titel: Schwarze Stunde
Autoren: Christine Feher
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konnten. Am Abend sage ich zu Manuel, ich würde bei Alena übernachten, Alena mache ich weis, ich wäre bei Manuel. Entschlossen setze ich mich mit meinem Handy aufs Bett und tippe eine Nachricht an Corvin in die Tastatur.
    Es dauert ewig, weil meine SMS immer länger wird und ich immer unzufriedener mit dem bin, was drin steht. Wieder und wieder lösche ich meinen Text und fange neu an, schreibe auf Papier vor und zerreiße es, bis ich schließlich erst mal in meinem Tagebuch alles herauslasse; ich erzähle von dem monatelangen Mobbing durch meine Mitschüler, von meiner Geburtstagsparty, der Nacht mit Manuel und seinem Verhalten danach, von dem Unbekannten im Hallenbad, von Corvins verändertem Verhalten und der neuerlichen, sogar noch gesteigerten Bedrohung durch Unbekannt. Danach fühle ich mich zumindest ein wenig leichter.
    Und dennoch: Ich muss Corvin sehen, am besten heute noch. Kurz entschlossen tippe ich eine knappe Nachricht in mein Handy: Heute 22.00 h im Unterholz? Müssen reden. V. Ohne meinen Zweifeln nachzugeben, schicke ich sie los, sehe dem virtuellen Briefumschlag zu, wie er wegfliegt. Mein Herz hämmert, als die Sendemeldung auf meinem Display aufleuchtet. Jetzt kann ich nicht mehr zurück.
    Seit jenem Abend im Sommer, als Corvin und ich uns vor dem Unterholz getroffen haben, um dann raus aus Berlin zu fahren, bin ich nicht mehr dort gewesen. Während ich auf Corvins Antwort warte, suche ich meine Lieblingskleidung aus dem Schrank, in der ich mich immer sicher fühle, eine Jeans im Destroyed Look und eine verspielte schwarze Bluse dazu, die meine Figur gut zur Geltung bringt, ohne übertrieben sexy zu wirken. Während ich mich dezent schminke, geht eine SMS bei mir ein. Ich werde da sein , schreibt Corvin. Nicht mehr und nicht weniger. Mein Vater erklärt sich bereit, mich hinzufahren, als ich ihm sage, Manuel warte dort mit ein paar Leuten aus der Schule auf mich und wir wollten nur noch gemeinsam einen kleinen Absacker nehmen, ehe er mich nach Hause bringt. So kann ich sicher sein, nicht verdächtigt und verfolgt zu werden.
    An Wochentagen ist es im Unterholz leer; schnell verschaffe ich mir einen Überblick und entdecke Corvin auf einem der etwas abseits stehenden Sofas hinten im Bühnenraum, ein Glas Weißwein vor sich auf dem Tisch; außer ihm sitzen nur zwei Frauen in einer Ecke, trinken Sekt und lachen miteinander. Als er mich erblickt, meine ich, einen Anflug von Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen, doch er stellt es gleich wieder ab.
    »Darf ich mich neben dich setzen?«, frage ich leise. Corvin nickt und rückt ein Stück zur Seite, ohne jedoch seine Jacke wegzunehmen, die zwischen uns liegt, als ich mich hinsetze. Ich ziehe meine ebenfalls aus und lege sie oben drauf, jetzt sieht es aus wie eine Mauer, die wir zwischen uns errichtet haben, aber das haben wir ja auch. Es ist so albern, und wenn ich nicht so verunsichert wäre, müsste ich jetzt lachen. Verstohlen blicke ich Corvin von der Seite an und merke, dass auch er die Lippen zusammenkneift, um sich das Lachen zu verbeißen; ich grinse und stoße ihn sacht mit dem Ellbogen an.
    »Ganz schön bescheuert, wie?«, frage ich, und er nickt und lacht, sein leicht hervorstehender Zahn blitzt im Kerzenlicht auf und wir lachen immer weiter, bis mir plötzlich die Tränen kommen und ich nicht mal weiß, ob sie vom Lachen herrühren oder von der Trauer darüber, dass wir hier nicht als Pärchen sitzen, sondern weil alles so aussichtslos und verworren ist und ich noch immer in Angst lebe, sogar in Todesangst. Corvin bemerkt es und nimmt meine Hand, hält sie ganz fest in seiner, es tut so gut und fühlt sich so vertraut an, so warm, ein paar Minuten lang sitzen wir einfach nur so da und halten uns schweigend an den Händen. Eine Kellnerin kommt und fragt mich nach meinem Wunsch, ich bestelle eine Pi ñ a Colada. Als ich danach verstohlen in Corvins Gesicht schaue, lächelt er nicht mehr.
    »Warum hast du das nur gemacht?«, fragt er, ohne meine Hand loszulassen. »Mit Manuel geschlafen? Warum?«
    »Ich hab das bestimmt nicht genossen, falls du das glaubst.«
    »Trotzdem trifft es mich. Dass wir getrennt sind und alles – gut, das sehe ich ein, und manches ist auch für mich seitdem leichter geworden. Aber dass du gleich mit einem anderen … das hätte ich nicht gedacht. Das verletzt mich schon sehr, Valerie.«
    »Woher weißt du es überhaupt?«
    Corvin sieht müde aus. »Du kennst doch Manuel«, sagt er. »In dröhnender
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