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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge
Autoren: Anna Jansson
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Verantwortung für seine Situation übernehmen und ein wenig Kreativität beweisen. Wohin wollen Sie?«
    »Aufs Klo.«
    »Ich heiße Bella. Ich kann Ihnen in Örebro alles zeigen, wenn Sie wollen.«
    »Ich komm schon klar.« Arvidsson nahm seine Sporttasche und ging in Richtung Restaurantwagen. Er wollte einfach nur seine Ruhe. Die Nerven. Jetzt war es nur noch eine knappe Stunde, bis er seine Schwester treffen würde. Nach einem Kaffee und einem Sandwich mit Fleischbällchen und Rote-Bete-Salat suchte er sich einen neuen Platz neben einer älteren Dame, die tief in einen Roman versunken war. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    »In Örebro hält unser Zug zweimal. Zunächst Örebro Hauptbahnhof und dann Örebro Süd.« Der Lautsprecher knisterte. Arvidsson dachte fieberhaft nach. Was hatte Pernilla gesagt, Örebro Hauptbahnhof oder Süd? Vor dem Zugfenster breitete sich die Stadt im Licht der Straßenlaternen aus, mit ihren Wohnvierteln, dem pilzähnlichen Wasserturm und einer Friedhofsmauer mit überbordenden Graffiti. Der Zug verlangsamte die Fahrt. Jetzt musste er sich entscheiden. Das Wahrscheinlichste war wohl, dass sie sich am Hauptbahnhof treffen würden.
    Arvidsson nahm seine Lederjacke vom Haken, griff sich seine Tasche und trat in den Gang. Er wartete, bis die Blaubeermütze draußen vorbeigegangen war, und stieg dann aus. Es regnete leicht. Er hoffte, dass Pernilla ihn nicht auf dem Bahnsteig abholen würde, und folgte der Menge. Hielt nach jemandem Ausschau, der genauso wie er in der Menge von Gesichtern nach etwas Bekanntem suchte.
    Im Bahnhofsgebäude blieb er unschlüssig stehen. An einem Tisch in der linken hinteren Ecke vegetierten die Saufkumpane der Stadt vor sich hin und teilten sich in brüderlicher Gerechtigkeit eine Limo und eine Flasche Absolut Vodka. Drei halbwüchsige Mädchen spielten Karten, und eine ältere Dame in zerrissenem Rock und verfilzter Strickjacke stand mit dem Gesicht zur Wand und redete mit etwas oder jemandem in ihrer zerschlissenen, braun karierten Tasche.
    Während er auf die Begegnung mit Pernilla wartete, packte er die Rosen aus und stopfte das Papier in einen übervollen Abfalleimer. Sieben rote Rosen. Er warf einen Blick auf die Uhr. Der Zug war acht Minuten verspätet gewesen. Jetzt müsste sie eigentlich da sein. Vielleicht hatten sie sich doch auf dem Bahnsteig verpasst. Er spürte, wie ihm die Anspannung in die Beine kroch und dann durch den ganzen Körper bis in die Finger und Haarspitzen.
    Es hatte aufgehört zu regnen, und er ging zum Gleis zurück. Die Luft war kühl. Er sah draußen an der Bushaltestelle eine Frau mit schulterlangem Haar und weißem Mantel stehen. Neben ihr befand sich ein schwarzer BMW. Hin und wieder drehte sie den Kopf, als würde sie nach jemandem Ausschau halten. Dann wandte sie sich an ein älteres Paar, das gerade vorbeikam. Die beiden zeigten auf den Bahnhof oder vielleicht auch direkt auf ihn. Er war unsicher. Sie lächelte ihn vorsichtig an. Kam zögernd auf ihn zu. Die hochhackigen Stiefel klapperten auf dem Asphalt.
    Arvidsson spürte, wie es in seinem Kopf zu rauschen begann. Sie hatte etwas Bekanntes an sich, als hätten sie sich vor langer, langer Zeit schon einmal gesehen. Wie eine Passage aus einem Traum oder einem Schwarzweißfilm, in dem die Liebenden mit ausgebreiteten Armen in Zeitlupe aufeinander zulaufen. Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, woran es lag: Sie sah aus wie das Mädchen auf dem roten Rosinenpaket der Firma Sun-Maid. Ein blasses Gesicht, schwarzes, gewelltes Haar unter einer großen roten Mütze und ein roter, lächelnder Mund.
    Meine Schwester? War da irgendeine Ähnlichkeit? Die Augen? Die Nase? Der Mund? Sie sah freundlich aus, und sie war eher klein, reichte ihm kaum bis zur Schulter. Als sie direkt vor ihm stand, fiel ihm nichts ein, was er sagen könnte. Die Worte, die er vorbereitet hatte, passten überhaupt nicht zu der Erscheinung, die vor ihm stand. Ihre Augen, die das blasse Gesicht ganz dominierten, waren grün und voller kleiner gelber Sprenkel. Auf der Oberlippe konnte er eine kleine Narbe erahnen. Dann fasste er sich und reichte ihr die Rosen. Sie sah ihn verständnislos an. Dann lächelte sie vorsichtig und berührte den Strauß.
    »Sind die für mich?«
    »Ja.« Es kam ihm nicht in den Sinn, einen einzigen der Sätze zu sagen, die er während der unruhigen Stunden im Zug eingeübt hatte.
    »Aber du kennst mich doch gar nicht.« Sie nahm die Rosen in Empfang, roch an ihnen
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