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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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Davon abgesehen waren wir ganz unter uns gewesen, geschützt hinter verschlossenen Abteiltüren und vom Rattern der Räder auf den Schienen, das alles übertönte, was ein Lauscher an der Wand mithören könnte.
    Mitten in meiner Geschichte hatte Victoria ein Paar meiner Einmalhandschuhe herausgeholt und sich auf den Sitz neben mich gekniet, um die Platzwunde an meinem Hinterkopf zu versorgen. Mit Wattepads aus ihrem Kosmetikköfferchen trug sie das Antiseptikum auf, das Martin mir mitgegeben hatte, und gab sich dann größte Mühe, mich mit Hilfe der Klammern wieder zusammenzuflicken. Sie schien noch nicht restlos zufrieden mit ihrem Werk, aber ich hatte schon fast die Nase voll vom Gepikst- und Gestochenwerden, als der Waggon plötzlich ganz unerwartet durchgeschüttelt wurde und sie mir fast den Stirnlappen gekitzelt hätte.
    »Herrje, Vic.« Ich zuckte zurück und hielt mir mit der Hand die schmerzende Stelle. »Das war’s, mir reicht’s.«
    »Aber ich glaube, da sollten noch ein paar Klammern drauf.«
    »Lieber blute ich weiter. Und jetzt setz dich.«
    Sie schnaubte empört und verzog die Lippen zu einem schmollenden Schnütchen, ließ sich aber dann neben mir in den Sitz fallen und streifte die Handschuhe ab. »So leicht ist das nicht, weißt du.«
    Das wusste ich. Glauben Sie mir. Und nachdem ich die Baseballkappe vorsichtig wieder aufgesetzt hatte, streckte ich die Hand nach ihr aus und drückte ihre Finger.
    »Du bist ein Engel.«
    »Und du bist ein Idiot.« Angesäuert zog sie die Hand weg und stopfte die gebrauchten Handschuhe in den Abfallbehälter unterhalb des Abteilfensters. »Ich fasse es einfach nicht, dass du nicht sofort aus dem Buchladen verschwunden bist, als du gesehen hast, dass Graziellas Onkel erschossen wurde.«
    »Ich dachte, er hätte Selbstmord begangen, Vic.«
    »Tja, dann hättest du besser mal die Waffe gesucht.«
    Ich wollte gerade etwas darauf erwidern, als ein entgegenkommender Hochgeschwindigkeitszug an uns vorbeirauschte, uns erst ansaugte und dann wegpustete. Ein Zweitonsignal dröhnte los, zu spät, um noch irgendwen zu warnen, und ich wartete, bis Tröten und Rattern abgeebbt waren, ehe ich weitererzählte.
    »Punkt für dich«, sagte ich. »Aber im Nachhinein ist man immer klüger.«
    »Und du hättest auf jeden Fall verschwinden sollen, als du die Bombenbauerwerkstatt entdeckt hast.«
    Hilfesuchend schaute ich Alfred an. Der sprang mir nur allzu gerne bei.
    »Schätzchen, wie wäre es, wenn wir uns auf die positiven Dinge konzentrieren, hmm? Ich würde sagen, Ende gut, alles gut, meinst du nicht?«
    »Charlie könnte tot sein, Dad.«
    »Ja, ist er aber nicht. Sondern diese Ratte Borelli. Und ich kann mir keinen passenderen Abgang für ihn vorstellen. Erschossen von einem Kerl, der ihn nur ausfindig gemacht hat, weil er John und Eunice auf dem Gewissen hat.«
    »Ich weiß nicht, ob Remi wirklich so ein hehres Motiv hatte, Dad. Und außerdem, wäre es dir nicht auch lieber gewesen, Borelli hätte sich dafür vor Gericht verantworten müssen?«
    Alfred fuhr mit den Fingern über den flauschigen Sitzbezug. »Schätzchen, ich glaube, auf den Tag hätten wir lange warten können, meinst du nicht? Und wenn man die Mitglieder unseres Teams fragen würde, deine Mutter eingeschlossen, wage ich zu behaupten, die wären hochzufrieden mit seinem Schicksal.«
    »Und das Geld teilen wir natürlich«, warf ich ein. »Durch drei, würde ich sagen. Gar nicht so schlecht, alles in allem.«
    »Alles in allem was?«, bemerkte Victoria schnippisch. »Bist du vielleicht schon mal auf den Gedanken gekommen, die Polizei könnte dich mit der Ermordung des Grafen in Verbindung bringen?«
    »Ich wüsste nicht, wie. Martin und Antea halten dicht. Und Graziella und Remi werden auch nicht unbedingt mit ihrem Anteil an dieser Geschichte hausieren gehen.«
    »Dann gehst du also davon aus, dass Remi noch lebt. Sagtest du nicht, Graziella habe ihn umbringen wollen?«
    Plötzlich ratterte es laut, und ein vernehmliches Wusch war zu hören, als wir in einen Tunnel hineinrasten. Das einsetzende Vakuum war so stark, dass mir die Ohren ploppten, und ich konnte erst weitererzählen, als wir auf der anderen Seite wieder herausgekommen waren.
    »Hätte ich mir durchaus vorstellen können«, gab ich zu. »Aber vielleicht ist meine Fantasie da auch mit mir durchgegangen.«
    »Würde dich das belasten?«
    »Nicht allzu sehr. Und dir sollte es auch keine schlaflosen Nächte bereiten. Er hatte Beweise, die Borelli und
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