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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig
Autoren: Chris Ewan
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akzeptieren.« Er brach ab und schaute hinauf zur Decke. Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder gefasst hatte und weiterreden konnte. »Die Sache ist die«, sagte er und räusperte sich, »wenn es nur nach mir ginge, hätte ich die Polizei gerufen, als ich in der Küche war und den Scotch geholt habe.«
    Herrje . »Aber das haben Sie nicht getan, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Im Krankenhaus habe ich auch nicht viel gesagt. War Anteas Idee. Ich musste es ihr versprechen. Ganz schön dumm, wenn Sie mich fragen.«
    Ich sah zu, wie Martin den Scotch aufschraubte und noch etwas von der bräunlichen Flüssigkeit in unsere Becher schwappen ließ. Er stürzte seine Ration herunter, als wolle er damit wie mit Mundwasser gurgeln. Ich hielt meine Tasse in der Hand und schwenkte das Zeug darin unschlüssig herum.
    »Wenn ich fragen darf, Martin, was genau haben Sie der Polizei denn nicht erzählt?«
    Er schluckte und tippte mit einem Fingernagel gegen die Tasse. »Na ja, mal sehen«, brummte er, und seine Stimme klang ein klitzekleines bisschen heiser. »Ich habe ihnen nicht erzählt, dass wir einen Mann in höchster Not haben schreien hören, lauter als meine Aufnahme von Brahms Walzer in As-Dur – ich habe nur gesagt, wir haben Geräusche aus der leerstehenden Wohnung gehört, und Antea habe darauf bestanden, dass ich nach oben gehe und nachsehe, während sie die Polizei ruft. Ich habe nicht erzählt, dass der schreiende Mann zum Zeitpunkt seines Auffindens in Unterwäsche ans Bett gefesselt war und ich gleich erkannt habe, dass es sich dabei um den Grafen Frederico Borelli handelt. Ich habe nicht erklärt, dass er mich, nachdem ich ihn mit den Schlüsseln, die ich gefunden habe, befreit hatte, angeschrien und mir an den Kopf geworfen hat, ich habe ihn entführt, und auch nicht, dass er während unseres kleinen Streitgesprächs eine auf dem Boden liegende Tasche weggetreten hat, aus der zufälligerweise eine Pistole fiel – eine Pistole, mit der er mich dann in Schach gehalten hat, während er Sachen anzog, die ganz offensichtlich nicht seine waren.«
    Matt atmete er aus und betrachtete seine Schuhspitzen, bis ihm der lange graue Pony in die Augen fiel. Dann schüttelte er, offenbar verwundert über sein eigenes Verhalten, den Kopf. »Gesagt habe ich nur, dass ich oben im Treppenhaus einem fremden Mann begegnet bin und dass er, sobald er mich sah, Hals über Kopf die Treppe hinuntergelaufen ist und sich so rücksichtslos an meiner armen Frau, die gerade auf dem Weg nach oben war, vorbeigedrängelt hat, dass sie ganz unglücklich gestürzt ist und sich den Knöchel und das Schlüsselbein gebrochen hat. Gesagt habe ich auch, dass ich den Kerl leider nicht richtig sehen konnte, dass es aber höchstwahrscheinlich ein Einbrecher war. Ach ja, und ich habe nicht gesagt, dass ich meiner Frau, während ich ihre Hand gehalten habe und wir auf den Notarzt und die Sanitäter gewartet haben, wider besseren Wissens versprechen musste, die offensichtlichen Fakten vor der Polizei zu vertuschen, und das bloß wegen ihres verflixten Mutterinstinkts und ihres fehlgeleiteten Vertrauens in einen moralisch verkommenen Untermieter – der, wie ich hinzufügen möchte, gerade erst vor ein paar Tagen spätnachts in seine Wohnung zurückgekommen ist, übersät mit Verletzungen, wie man sie nach einer Bombenexplosion erwarten würde, wie sie sich zufälligerweise zeitgleich im Palazzo Borelli ereignet hat.«
    Ich zog den Kopf ein. »Martin, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
    »Tja, dann.« Er machte ein Geräusch, das klang wie ein tiefes Knurren, und wich meinem Blick aus. Anscheinend wusste er auch nicht, was er dazu sagen sollte.
    »Darf ich fragen, ob die Polizei Ihnen Ihre Version der Ereignisse abgenommen hat?«
    »Die hatte keinen Grund, daran zu zweifeln«, murmelte er. »Und als sie hörten, dass es sich um einen Einbruch handelt ...« Er zuckte die Achseln. »Man kann nicht behaupten, dass sie sich große Mühe gemacht haben, den Fall weiter zu untersuchen.«
    Ich atmete lang und tief aus. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin. Ehrlich. Und ich weiß nicht, wie ich das je wiedergutmachen soll.«
    Aber just in dem Moment, als ich diese Worte aussprach, fiel mir ein, wie ich mich vielleicht doch erkenntlich zeigen könnte. Ich kniete mich auf den Boden, nahm den Aktenkoffer auf den Schoß und machte mich an den Zahlenschlössern zu schaffen, um den minimalen verräterischen Widerstand der korrekten
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