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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
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seinen Teil unseres Dialogs mit einer derartigen Zerstreutheit – echt oder vorgetäuscht – , dass seine Antworten oft scheinbar keinerlei Zusammenhang mit meinen Bemerkungen und Fragen hatten.
    Dennoch hatte ich die Küche mit der Hoffnung betreten, dass er eine wertvolle Information preisgab, mit der ich das Geheimnis von Roseland entschlüsseln konnte, und zwar ohne wahrzunehmen, dass ich seine Schale geknackt hatte.
    Zuerst aß ich das köstliche Croissant, aber nur zur Hälfte. Durch diese Zurückhaltung bewies ich mir, dass ich trotz allem Druck und aller Turbulenzen, denen ich in besonderer Weise ausgesetzt war, immer diszipliniert blieb. Dann kam die andere Hälfte dran.
    Mit einem ungewöhnlich scharfen Messer hackte der Küchenchef gedörrte Aprikosen in Stücke, während ich endlich damit fertig war, mir die Lippen zu lecken, und das Wort ergriff. »Die Fenster hier sind nicht vergittert wie drüben im Gästeturm.«
    »Das Haupthaus ist umgebaut worden.«
    »Also waren hier auch mal Gitterstäbe?«
    »Vielleicht. Vor meiner Zeit.«
    »Wann hat man das Haus denn umgebaut?«
    »Damals.«
    »Wann damals?«
    »Mmmmm.«
    »Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
    »Ach, schon ewig.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
    »Mmmmm.«
    Das war in etwa alles, was ich über die Geschichte der vergitterten Fenster von Roseland erfahren würde. Der Koch hackte so konzentriert seine Trockenfrüchte, als würde er eine Bombe entschärfen.
    »Mr. Wolflaw hält doch keine Pferde hier, oder?«, fragte ich.
    Aprikosenbesessen sagte der Koch: »Keine Pferde.«
    »Die Reitbahn und der Übungsplatz sind voller Unkraut.«
    »Unkraut«, pflichtete der Koch mir bei.
    »Aber die Ställe sind makellos sauber.«
    »Makellos.«
    »Sie sind fast so sauber wie ein Operationssaal.«
    »Sauber, sehr sauber.«
    »Ja, aber wer reinigt die Ställe?«
    »Irgendjemand.«
    »Alles sieht frisch getüncht und gewienert aus.«
    »Gewienert.«
    »Aber weshalb – wenn es gar keine Pferde gibt?«
    »Tja, weshalb?«, überlegte der Koch laut.
    »Vielleicht hat Mr. Wolflaw vor, bald Pferde anzuschaffen.«
    »Genau.«
    »Will er tatsächlich Pferde anschaffen?«
    »Mmmmm.«
    Mr. Shilshom schaufelte sich die Aprikosenstücke in die Hand, um sie in eine Rührschüssel zu befördern. Dann griff er nach einer Tüte und schüttete halbierte Pekannüsse auf sein Hackbrett.
    »Wie lange ist es wohl schon her, seit es hier zuletzt Pferde gab?«, fragte ich.
    »Lange, sehr lange.«
    »Dann gehört das Pferd, das ich manchmal hier umherstreifen sehe, wohl einem Nachbarn.«
    »Gut möglich«, sagte der Koch und fing an, die Nusshälften zu halbieren.
    »Haben Sie das Pferd auch schon gesehen?«, fragte ich.
    »Lange, sehr lange.«
    »Es ist ein riesiger schwarzer Hengst.«
    »Mmmmm.«
    »In der Bibliothek hier stehen viele Bücher über Pferde.«
    »Ja, die Bibliothek.«
    »Ich habe nach der Rasse gesucht. Ich glaube, es ist ein Friese.«
    »Na also.«
    Sein Messer war so scharf, dass die Nusshälften überhaupt nicht bröselten, als er sie zerteilte.
    »Sir«, sagte ich, »haben Sie draußen vor Kurzem vielleicht ein merkwürdiges Licht gesehen?«
    »Wieso denn?«
    »Oben am Mausoleum.«
    »Mmmmm.«
    »Ein goldenes Licht.«
    »Mmmmm.«
    Ich sagte: »Mmmmm?«
    Er sagte: »Mmmmm.«
    Fairerweise musste ich ihm zugestehen, dass das Licht, das ich gesehen hatte, womöglich nur für jemanden sichtbar gewesen war, der meinen sechsten Sinn besaß. Dennoch argwöhnte ich, dass Mr. Shilshom ein verlogener Fettkloß war.
    Über sein Hackbrett gebeugt, starrte der Koch so angestrengt auf die Nüsse, als wollte er das Kleingedruckte auf einer Packung Pillen lesen.
    »Ist das da eine Maus neben dem Kühlschrank?«, fragte ich, um ihn auf die Probe zu stellen.
    »Na also.«
    »Nein. ’tschuldigung. Das ist eine fette alte Ratte.«
    »Mmmmm.«
    Wenn er nicht völlig in seine Arbeit versunken war, dann war er ein guter Schauspieler.
    Ich rutschte von meinem Hocker. »Tja, ich weiß auch nicht warum, aber ich glaube, ich geh jetzt mal raus und setze meine Haare in Brand.«
    »Wieso denn?«
    Ich wandte dem Koch den Rücken zu und ging zur Terrassentür. »Vielleicht wachsen sie dichter nach, wenn man sie hin und wieder mal abfackelt.«
    »Mmmmm.«
    Das spröde Geräusch des Nüsse spaltenden Messers war verstummt.
    In einer der vier Scheiben, mit denen die obere Hälfte der Tür verglast war, sah ich Mr. Shilshoms Spiegelbild. Er beobachtete mich. Sein Mondgesicht war so bleich
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