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Schwarze Fluten - Roman

Schwarze Fluten - Roman

Titel: Schwarze Fluten - Roman
Autoren: Dean Koontz
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seine Dämonen sind allesamt dumpf und berechenbar, weil ihr einziges Ziel darin besteht, gegen die Wahrheit zu rebellieren. Auch das Verbrechen selbst wirkt auf jemanden mit einem komplexen Verstand eher langweilig, wenngleich es interessant sein kann, eines aufzuklären. Wer dumm ist, findet Verbrechen hingegen unendlich faszinierend. Ein Film über Hannibal Lecter ist spannend, der zweite unweigerlich öde. Wir lieben Serienhelden, aber ein Serienschurke wirkt rasch lächerlich, da er auf so offensichtliche Weise versucht, uns zu schockieren. Das Gute ist fantasievoll, das Böse wiederholt sich nur.
    Man hatte Geheimnisse hier in Roseland. Es gab jedoch viele Gründe, Geheimnisse zu bewahren, und nur ein Bruchteil davon war bösartiger Natur.
    Als ich es mir auf dem Gartensessel bequem gemacht hatte, um darauf zu warten, dass Mr. Shilshom das Küchenlicht anknipste, nahm die Nacht eine interessante Wendung. Ich rede hier nicht von einer unerwarteten Wendung, denn ich habe gelernt, so ziemlich alles zu erwarten.
    Südlich der Terrasse, auf der ich saß, führten Stufen in einem weiten Bogen zu einem runden Brunnen, der von eineinhalb Meter hohen Urnen im Stil der Renaissance flankiert wurde. Dahinter gelangte man über eine weitere geschwungene Treppe zu einer Rasenfläche, umrahmt von Hecken, an deren Seiten leicht gestufte Kaskaden herabströmten. Ganz außen erhob sich links und rechts je eine Reihe hoher Zypressen. Die ganze Anlage führte etwa hundert Meter weit zu einer weiteren Terrasse auf der Kuppe der Anhöhe, und dort stand ein reich mit Ornamenten verziertes, fensterloses Mausoleum. Seine Kalksteinmauern waren bestimmt zwölf Meter breit.
    Das Mausoleum stammte aus dem Jahr 1922 und damit aus einer Zeit, als Bestattungen auf Privatgrund noch nicht gesetzlich verboten gewesen waren. Ohnehin wurde das grandiose Monument nicht von verwesenden Leichen bewohnt. In seinen Wandnischen standen mit Asche gefüllte Urnen. Bestattet waren hier Constantine Cloyce, seine Frau Madra und das einzige Kind des Paares, das früh gestorben war.
    Plötzlich begann das Mausoleum zu glühen, als wäre es vollständig aus Glas gewesen. Es sah aus wie eine riesige Öllampe, in der ein goldenes Licht pulsierte. Die Phönixpalmen dahinter reflektierten das Leuchten, sodass ihre Wedel aufblühten wie Feuerwerksraketen.
    Ein Krähenschwarm barst aus den Palmen hervor. Zu erschrocken, um zu kreischen, verschwanden die Vögel mit knatternden Flügelschlägen im dunklen Himmel.
    Überrascht sprang ich auf die Beine, wie ich es immer tue, wenn ein Gebäude aus unerklärlichen Gründen zu glühen beginnt.
    Ohne mich daran zu erinnern, dass ich die Stufen erklommen und den Brunnen umrundet hatte, fand ich mich auf der langen Rasenfläche. Wie unter einem Bann stehend, hatte ich schon den halben Weg zum Mausoleum zurückgelegt.
    Ich hatte das Grabmal bereits früher besichtigt und wusste, dass es so massiv war wie ein Munitionsbunker.
    Nun sah es jedoch wie ein gläserner Vogelkäfig aus, in dem Scharen von leuchtenden Elfen hausten.
    Obwohl das gespenstische Licht von keinerlei Geräuschen begleitet wurde, stürmten Druckwellen auf mich ein und durch mich hindurch. In einem Anflug von Synästhesie spürte ich den Klang der Stille.
    Offenbar waren es diese Erschütterungen, die mich von meinem Gartenstuhl geholt und die Stufen hinauf auf den Rasen getrieben hatten. Sie wirbelten durch mich hindurch wie ein pulsierender Strudel, der mich in eine Art Trance versetzte. Als mir klar wurde, dass ich mich wieder in Bewegung gesetzt hatte und aufwärtsging, wehrte ich mich gegen den Drang, mich dem Mausoleum zu nähern – und war tatsächlich in der Lage, der mich vorwärtsziehenden Kraft zu trotzen. Ich blieb stehen und hielt stand!
    Während die Druckwellen mich durchströmten, überfluteten sie mich mit einer Sehnsucht nach etwas, das ich nicht benennen konnte, nach irgendeinem großen Lohn, den ich nur empfangen würde, wenn ich zum Mausoleum ging, solange das seltsame Licht durch dessen durchsichtige Mauern strahlte. Als ich mich weiterhin wehrte, nahm die Anziehungskraft ab, und das Leuchten verblasste allmählich.
    Hinter meinem Rücken erklang eine tiefe Männerstimme mit einem mir unbekannten Akzent: »Ich habe dich gesehen … «
    Verblüfft drehte ich mich um, aber auf dem Rasen zwischen mir und dem murmelnden Brunnen stand niemand.
    Hinter mir, so nah, als wäre der Mund, aus dem die Worte kamen, nur wenige Zentimeter von meinem
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