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Schwarze Dynastie

Schwarze Dynastie

Titel: Schwarze Dynastie
Autoren: C. M. Kornbluth
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eher an die anderen als an sich selbst. Wer hätte aber je davon gehört, daß ein Sir Baldwin auch an einen anderen dachte als an sich selbst? Klar, er war der Gutsherr, und sein Haus war unverletzlich, aber nun ja ...
    Entmutigt tauchte der Padre die Feder in die Tinte und nahm sich vor, dem Goldschmied mehr als dringlich nahezulegen, noch einmal genau darüber nachzudenken, ehe er Sir Baldwin erneut zusetzte. Habgier führte eben doch auf direktem Weg in die Hölle.
    Es klopfte wieder an der Tür.
    Diesmal war es der Goldschmied, ein Bursche namens John in einer Lederschürze, der seine Kappe in riesigen, brandnarbigen Händen drehte.
    »Ja, mein Sohn? Komm herein.« Ungewollt wurde sein Ton unfreundlich. Der Sünde der Habgier durfte man sich nicht ausliefern. »Nun, was willst du?«
    »Vater«, sagte der Bursche, »ich wollte Euch dies bringen.« Er reichte ihm einen weichen Lederbeutel, in dem es verheißungsvoll klirrte.
    Vater Ambrosius leerte ihn auf dem Tisch aus und strich liebkosend mit den Fingerspitzen über die Silbermünzen. Fünf Mark und elf Pfennige in Silber! Also keine Salzheringe mehr bis zur Fastenzeit. Silber für den Bischof – wie sehr stieg seine Pfarrei im Ansehen, wenn er Silber brachte! Die Heilige Jungfrau konnte endlich ihren vergoldeten Mantel bekommen, und vielleicht reichte es auch noch für ein paar Glasscheiben für die Kirchenfenster.
    Aber dann streifte er die Münzen wieder in den Beutel. »Das hast du durch Sünde erworben«, sagte er streng. »Du warst deinen Brüdern in Christo gegenüber habgierig. Gib das Geld hier deinen Opfern zurück, nicht der Kirche.«
    »Vater, Ihr versteht nicht«, antwortete der Bursche eifrig. »Sie kommen zu mir und sagen, es sei ganz richtig, wenn sie für das geliehene Geld auch eine Leihgebühr zahlen müssen wie für ein geliehenes Pferd. Glaubt Ihr vielleicht, ich hätte mich darum gerissen, Geldverleiher zu werden? Immer war ich ein ehrlicher Goldschmied, aber was kann ich dafür, wenn mir die Leute ihr Geld bringen, damit ich es sicher aufbewahre? Eine Mark bringt mir im Jahr einen Pfennig. Ein anderer bringt Silbermünzen, damit ich ihm daraus eine Schüssel mache, und was an Silber bleibt, das gehört selbstverständlich mir. Sie kommen zu mir und flehen mich an, ihnen Geld zu leihen, und wenn ich's nicht tu, dann müssen ihre alten Eltern verhungern, oder ihre Toten braten für ewig in Fegefeuer oder Hölle, wenn man nicht unaufhörlich Messen für sie liest. Und Messen kosten doch auch was. Was soll ich also tun?«
    »Nicht mehr sündigen«, antwortete der Priester. Für ihn war das kein Problem.
    »Ihr könnt leicht dasitzen und so reden, Vater«, erwiderte der junge Mann zornig. »Was glaubt Ihr, wer die Messen für Goodie Howats Seele bezahlte? Und wer hat den Wagen für Tom den Strohdachmacher gekauft, damit er sein Bier in Glastonbury zu einem besseren Preis verkaufen kann? Und wie konnte der Bauer Major die Leute von Wealing bezahlen, die ihm halfen, sein Heu noch vor dem großen Sturm einzubringen? Ich könnte noch eine ganze Menge sagen. Eure Pfarre wäre ohne den Goldschmied ein schlechter Platz, und ich laß es mir nicht mehr gefallen, als schwarzer Sünder hingestellt zu werden! Und wer am hochnäsigsten den Geldverleiher auf der Straße übersieht, der bettelt ihn am häufigsten an um ein Darlehen!«
    Der Priester war über diesen Ausbruch recht erstaunt. Nun, John schien ehrlich zu sein, und Tatsachen mußten Tatsachen bleiben. Aber kann Gutes aus Bösem entstehen? Und da gab es ja auch die Geschichten, die berichteten, Seine Heiligkeit, der Papst persönlich, mache mit den Bankleuten der Langobarden gewisse Geschäfte ...
    »Darüber, mein Sohn, muß ich nachdenken«, sagte er. »Vielleicht war ich ein wenig zu voreilig. Vielleicht war Habgier in den Tagen des heiligen Paulus auch eine andere Sache als heute. Vielleicht ist auch das, was du tust, keine Habgier, sondern es sieht nur so aus. Du kannst also dein Silber bei mir lassen.«
    Nachdem John gegangen war, preßte Vater Ambrosius seine Handknöchel auf die Stirn. Die Zeiten ändern sich wirklich. Im Alten Testament hatten die Männer mehr Frauen als nur eine. Das war jetzt eine Sünde, aber Abraham, Isaak und Jakob waren doch sicher im Himmel? In den Tagen des Apostels Paulus war es nötig, daß sich die Christen, die ja von Heiden umgeben waren, fest zusammenschlossen, um gegen den gemeinsamen Feind bestehen zu können. Sicher konnte man jetzt diese Bande ein wenig
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