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Schwarze Dynastie

Schwarze Dynastie

Titel: Schwarze Dynastie
Autoren: C. M. Kornbluth
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essiggetränkten Schwamm, worauf die Schrift tadellos verschwand. Jetzt konnte er seine Predigtnotizen darauf kritzeln. Während das Pergament trocknete, überlegte er, was er mit dem Schwamm jetzt wohl ausgelöscht haben könnte. (Zufällig war es die letzte noch vorhandene Kopie von Tacitus' Annalen, VIII, i-v.)
    Die Predigt sollte er am Sonntag Sexagesima halten, also zu Beginn der Fastenzeit. Was sollte er predigen? Fastenzeit, das hieß Salzhering, Buße, Sünden, Habsucht, Wucher, Miete für den Kirchensitz, fetter Sir Baldwin in seiner Ruinenburg auf dem Hügel und Salzhering jetzt und per saeculae saeculorum, bis Sir Baldwin geruhte, die Miete für seinen Kirchensitz zu bezahlen.
    In diesem Moment kam Sir Baldwin in die Zelle gestapft. Vater Ambrosius erhob sich höflich und sagte ein wenig unsicher: »Pax vobiscum.«
    »Eh?« fragte Sir Baldwin und warf aus dümmlichen blauen Augen einen Blick über die Schulter. »Ah, Sie meinten mich, Padre. Wissen Sie, Ihr Latein ist an mir verschwendet. Ich verstehe nur das gute alte Normannische. Und was kann ich für Sie tun, Padre?«
    »Sie wollten doch mich sehen, Sir Baldwin?«
    »Eh? So? Ja, stimmt. Wissen Sie, ich hab den ganzen Morgen hindurch einen Hirsch verfolgt, und jetzt ist er mir entwischt. Wer ist der richtige Heilige in einem solchen Unglück? Das heißt, ich wollte meinen Kumpeln mal einen richtigen Sport zeigen und so, und es sind nette Burschen, die mich deshalb nicht hänseln, aber trotzdem kränkt's mich sehr, daß mir der Hirsch durch die Lappen gegangen ist. Und wer ist jetzt der richtige Heilige für solche Sachen?«
    Vater Ambrosius unterdrückte einen übermächtigen Wunsch, mit den Zähnen zu knirschen und antwortete: »Das muß wohl St. Hubertus sein, der an der Hirschjagd interessiert war.«
    »Richtig, Padre! Dieser Hubertus war es. Ich hab' nämlich auch einen Vetter namens Hubertus. Aber der hat seit Jahren eine Fistel dort, wo man sitzt und kann also nicht mehr auf die Jagd reiten. Armer Kerl. So, ich geh jetzt wieder. Halt, noch was! Sie predigen doch am Sonntag gegen Habgier und so. Dieser Kerl im Dorf, der Goldschmied, hat doch die Frechheit, Fallowfield von mir zu verlangen! Vierzig Morgen! Plötzlich sollten sie mir nicht mehr gehören. Padre, seien Sie so nett und fauchen Sie ihn ein paarmal ordentlich an, damit er weiß, was und wen Sie meinen, ja?«
    »Habsucht ist eine Sünde«, antwortete Vater Ambrosius vorsichtig. »Aber was hat Fallowfield damit zu tun?«
    Sir Baldwin zwirbelte ein wenig verlegen die spitzen Enden seines herabhängenden blonden Schnurrbarts. »Ich hab' von ihm mal zwanzig Mark zu leihen genommen und ihm gesagt, Fallowfield sei die Sicherheit dafür. Padre, ich frage Sie, ist es meine Schuld, wenn die Pächter ein Pack fauler, verstohlener Sachsenschweine sind und ich das Geld einfach nicht eintreiben konnte?«
    Vater Ambrosius war selbst Sachse und stellte folglich seine Igelstacheln auf. »Nun, ich werde tun, was ich kann«, versprach er gallig. »Aber bevor Sie gehen, Sir Baldwin ...« Der junge Mann drehte sich noch einmal um, »... möchte ich fragen, was mit der Kirchenbankmiete ist, vom Zehnten ganz zu schweigen.«
    Sir Baldwin winkte mit einer großartigen Handbewegung ab. »Ich hab' Ihnen doch eben erklärt, Padre, daß ich keinen blanken Heller besitze, und dieser Kerl will mich jetzt auch aus Fallowfield verjagen, das schon meinem Vater und dessen Vater und seinem Großvater gehörte. Wie, zum Teufel, soll ich Miete, Zehnten, Peterspfennig und all das Zeug zahlen, das ihr Priester von mir verlangt? Nein, Padre, kein Wort mehr darüber! Ich weiß, daß ich dann nicht in den Himmel komme, wenn ich nicht bezahle. Ich bin zwar nicht gelehrt, aber eines kann ich Ihnen verraten, Padre. Ich komme in den Himmel, dann sehen Sie, Gott ist ein Gentleman, und wegen des lumpigen Geldes läßt Gott einen anderen Gentleman nicht in der Hölle braten, und jedem Gentleman kann's mal passieren, daß er keinen Knopf Geld hat, oder?«
    Das war mehr, als der fromme Mann verdauen konnte, und er senkte die Augen.
    »Sehen Sie«, sagte Sir Baldwin. »Also, Hubertus heißt der Heilige. Ich bin doch nicht der Narr, für den Sie mich halten.« Und damit verschwand er vergnügt pfeifend.
    Vater Ambrosius setzte sich wieder und starrte das Pergament wütend an. Wie sollte man für einen solchen Laffen eine Predigt über die Habgier zusammenbringen? Habgier war ja wirklich eine Sünde, und was ein echter Christ ist, der denkt
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