Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)

Titel: Schwarze Blumen: Thriller (German Edition)
Autoren: Steve Mosby
Vom Netzwerk:
und klopfte sie auf dem Schreibtisch zu einem ordentlichen Stapel, bevor ich die Geschichte noch einmal las.
    Ziemlich bizarr.
    Und auch ziemlich starker Tobak.
    Doch das dürfen Geschichten sein, solange sie ehrlich sind.
    Das letzte Buch meines Vaters hieß zum Beispiel Kummerpuppen. Es handelt von einem kleinen Dorf und einem einsamen Jungen mit einem Vater, der ihn und die Mutter schlägt. Ein Puppenmacher bringt dem Jungen bei, wie man eine Kummerpuppe bastelt – ein kleines Figürchen aus Holzstiften und buntem Stoff. Abends vertraut man der Puppe alle seine Ängste an und steckt sie sich unters Kissen, wo sie sich darum kümmert, dass man selber gut schlafen kann. Der Junge bastelt ein Monster. Seiner Puppe ragen benutzte Streichhölzer wie verbrannte Flügel aus dem Rücken, während ihr abgeschnittene Zehennägel als Klauen dienen. Und als in dieser Nacht der Vater betrunken nach Hause kommt und drauf und dran ist, die ganze Familie umzubringen, erwacht die Puppe zum Leben und zerreißt ihn in Stücke.
    Die Geschichte funktioniert schon an und für sich, doch in dem Buch geht es um viel mehr. Der Erzähler von Kummerpuppen ist ein sehr alter Mann, der selbst Zeuge der Ereignisse geworden ist. Seine Frau war zu diesem Zeitpunkt sehr krank, und so hat der Puppenmacher auch ihm beigebracht, wie man sich eine Kummerpuppe macht. Der alte Mann gestaltete sie so, dass sie seiner Frau ähnlich sah, und vertraute ihr an, er hätte Angst davor, allein zurückzubleiben. In seinem Fall schien der Zauber nicht aufzugehen, denn seine Frau starb trotzdem. Doch am Ende des Buchs, auf seinem Sterbebett, erkennt er, dass der Geist seiner Frau die ganze Zeit neben ihm gesessen und bis zu seinem Ende ausgeharrt hat, und als er stirbt, nimmt sie ihn an der Hand, und sie gehen zusammen.
    Dad hatte vor zwei Jahren mit der Arbeit an Kummerpuppen angefangen, als meine Mutter mit Krebs im Endstadium kämpfte. Es war die letzte Schlacht in einem langen Krieg, und er schrieb die Geschichte kurz nach ihrem Tod zu Ende.
    An einer Stelle sagt der Puppenmacher dem Jungen:
    Es ist eigentlich egal, wie schäbig oder unvollständig sie dir gerät. Wichtig ist nur, dass es deine ist.
    Und für meinen Vater haben Geschichten genau denselben Zweck erfüllt wie Kummerpuppen, nur dass er seine Ängste und Probleme mit Worten einem Blatt Papier anvertraute. In seinem Buch stecken all die Emotionen, die er meiner Mutter niemals zugemutet hätte. Statt zusammenzubrechen und ihr seinen eigenen Schmerz einzugestehen – die panische Angst, ohne sie weiterzuleben und zu sterben –, hatte er sich darauf konzentriert, sich um sie zu kümmern. Indem er beim Schreiben egoistisch war, konnte er im realen Leben das Gegenteil sein.
    Genau das hatte auch ich versucht. Meine Geschichte war eine Müllhalde für all den armseligen, negativen Mist, den ich tief in mir vergrub: die Dinge, die eindeutig nicht fair waren und die ich gegenüber Ally nie ausgesprochen hätte. Ganz offensichtlich würde die Sache für sie viel schwerer und ihr mindestens so viele Opfer und Kompromisse abverlangen wie mir. Also mochte der Kerl auf der ausgedruckten Seite ruhig vor Groll und dummem, kindischem Unmut kochen – wenn er mir dabei half, Ally eine Stütze und ein verlässlicher Mensch zu sein. Jedenfalls, so gut ich konnte.
    Ich trank den Wein aus.
    Trotzdem war es starker Tobak – und mir kam eine andere Idee. Ich griff zu einem Stift und schrieb ans Ende der letzten Seite:
Reue. Vielleicht kommt der Kerl noch zur Einsicht und muss kämpfen, um sein Kind wiederzubekommen?
Ein Abstieg zur Hölle?
    Ich starrte einen Moment darauf und dachte darüber nach.
    Vielleicht würde das ein besseres, befriedigenderes Ende hergeben.
    Noch etwas Wein. Ich stand auf. Immerhin war es noch früh am Abend, und – verflucht noch mal – wenn man sich an dem Tag, an dem einem eröffnet wird, dass man Vater werden soll, nicht betrinken durfte, wann dann?
    Ich lief zielstrebig durch die Küche, um der Frage auf den Grund zu gehen, als mein Telefon klingelte. Es war das Festnetztelefon, das in der Ecke neben meinem Bett tirilierte. Ich war erstaunt; ich hatte fast vergessen, dass es existierte. Niemand rief mich je unter der Nummer an. Meine Freunde schickten mir alle SMS und E-Mails.
    Ich stellte das leere Glas neben den Computer und ging hin.
    »Hallo?«
    »Hallo? Spreche ich mit Neil?«
    Es war die Stimme einer Frau, aber nicht Allys.
    »Ja.« Ich setzte mich aufs Bett. »Am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher