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Schwarze Adler, weiße Adler

Schwarze Adler, weiße Adler

Titel: Schwarze Adler, weiße Adler
Autoren: Thomas Urban
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gewesen waren.
    Bei den Heimfahrten nach Kattowitz wurde auch er regelmäßig von DDR-Grenzern schikaniert; die polnischen Zöllner verlangten dagegen von ihm Autogramme und verzichteten auf eine Kontrolle seines Wagens.
    Fünf Jahre blieb Furtok beim HSV, in dieser Zeit erzielte er 51 Treffer. Anschließend spielte er noch zwei Jahre für Eintracht Frankfurt. Die Leser der polnischen Zeitschrift „Samoycie“, die für seine Landsleute in der Bundesrepublik erschien, wählten ihn zum „besten Polen in der Bundesliga“. Auch blieb er Stammspieler der Nationalmannschaft, insgesamt kam er auf 36 Einsätze.
    Nach sieben Jahren in der Bundesliga – er blieb somit länger als jeder andere polnische Fußballer – kehrte Furtok 1995 zu seinem Heimatverein GKS Kattowitz zurück. Er spielte dort weitere drei Jahre und wurde danach in den Trainerstab aufgenommmen, an dessen Spitze er schließlich trat. Doch stieg der GKS unter seiner Leitung aus der Ekstraklasa ab.
    Andrzej Rudy
    Beim GKS Kattowitz spielte auch Andrzej Rudy, als er sich im November 1988 vom polnischen Nationalkader absetzte. Er wurde daraufhin von PZPN-Offiziellen und Parteifunktionären als Verräter geschmäht. Auch die von der Partei kontrollierte Presse griff ihn scharf an. Rudy sagte später dazu: „Das, was über mich gesagt und geschrieben wurde, war Politik. Sogar ein guter Freund von mir, ein Journalist, schrieb über mich schlimme Dinge, Schweinereien. Aber er hatte keine Wahl, es ist ihm befohlen worden.“ Er sei sogar als „Verbrecher“ beschimpft worden; dass seine Flucht diese Reaktionen auslösen würde, habe er sich vorher nicht vorstellen können: „Ich habe sehr darunter gelitten. Das war eine sehr belastende Erfahrung.“ 10
    Damals verweigerte ihm der GKS Kattowitz, der noch kurz zuvor Furtok problemlos hatte ziehen lassen, zunächst die Freigabe, vermutlich infolge politischen Drucks; denn die Parteiführung wollte offenbar an Rudy ein Exempel statuieren. „Sie wollten ihm seine weitere Karriere verbauen“, berichteten damalige Klubkameraden. 11 Er galt als einer der begabtesten Mittelfeldregisseure seiner Generation; der deutsche Erfolgstrainer Udo Lattek nannte ihn den „polnischen Beckenbauer“, nachdem er ihn bei einem Länderspiel beobachtet hatte.
    Der damals 24 Jahre alte Rudy hatte ohne Genehmigung der polnischen Mannschaftsleitung das Hotel in Mailand verlassen, in dem sich die Weiß-Roten vor dem Freundschaftsspiel gegen eine Auswahl der italienischen Serie A einquartiert hatten. Es hätte sein zwölfter Auftritt im Trikot mit dem weißen Adler werden sollen. Seine Flucht schilderte er Jahre später einem polnischen Internetportal: „Meine Frau war schon im Westen, ich wollte auch dorthin kommen. In Anbetracht der Vorschriften im kommunistischen Polen konnte ich nicht mit einem Transfer in einen europäischen Klub rechnen, denn ich war noch zu jung. Deshalb habe ich mich zur Flucht entschlossen. In Polen blieb unser kleiner Sohn zurück, die Großeltern kümmerten sich um ihn. Ich wusste, dass ich viel riskiere, aber ich war entschlossen, diesen Schritt zu gehen. Ich rechnete damit, dass nach einer gewissen Zeit selbst die Kommunisten nicht so herzlos sein würden und den Sohn zu uns lassen würden. Und genau so ist es gekommen. Ein Bekannter hat mich abgeholt. Aus Italien sind wir nach Österreich gefahren, von dort nach Deutschland. Allerdings gab es ausgerechnet an diesem Tag an der österreichisch-deutschen Grenze strenge Kontrollen. Und nach mir wurde schon gesucht. Also mussten wir die ganze Nacht abwarten, bis den Grenzern die Lust an der Arbeit verging. Schließlich war ich in der Bundesrepublik.“ 12
    Ãœber die Gründe für seine Flucht sagte er Jahre später: „Ich bin aus einer verlogenen Welt geflohen, denn so war Polen damals. Ich wollte selbst über mein Leben entscheiden. Ich bin der Meinung, diese Flucht war die bestmögliche Reaktion in meiner Lage. Nach so vielen Jahren bedauere ich allerdings, dass ich mich auf diese Weise habe entfernen müssen; aber legal war dies schließlich nicht möglich.“ 13
    Nach Meinung seiner früheren Vereinskameraden waren es keineswegs nur politische, sondern auch persönliche Gründe, die ihn zur Flucht bewogen haben. Er habe befürchtet, seine legal in die Bundesrepublik gereiste Frau zu verlieren,
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