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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Autoren: Deon Meyer
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Aber wir brauchen nicht jedes Mal das Rad |277| neu zu erfinden. Lernt von ihm. Ihr seid eine handverlesene Truppe – es gibt nicht viele, denen eine solche Chance geboten
     wird.«
    Griessel sah in ihre Gesichter. Vier athletische schwarze Männer, eine untersetzte schwarze Frau und ein breitschultriger
     farbiger Ermittler, alle knapp über dreißig. Überschwängliche Dankbarkeit spiegelte sich nicht in ihren Mienen wider, außer
     vielleicht in der von Vusumuzi (»alle nennen mich Vusi«) Ndabeni. Der farbige Ermittler, Fransman Dekker, musterte ihn sogar
     mit unverhohlener Feindseligkeit. Doch Griessel hatte sich bereits an die Unterströmungen in der SAPS, der neuen südafrikanischen
     Polizei gewöhnt. Als er so neben John Afrika stand, sagte er sich, dass er dankbar sein müsse, nach der Auflösung der früheren
     Einheit für Schwer- und Gewaltverbrechen noch einen Job zu haben. Und dass er und Mat Joubert, sein ehemaliger Vorgesetzter,
     nicht auf irgendwelche Bahnhofswachen abgeschoben worden waren wie die meisten ihrer Kollegen. Diese verdammten Umstrukturierungen,
     die so wenig Neues brachten. Es war wieder genauso wie dreißig Jahre zuvor: Ermittler wurden auf Bahnhöfe versetzt, denn so
     handhabte man das heutzutage im Ausland, also musste die SAPS es nachäffen. Nein, er hatte wenigstens noch Arbeit, und Joubert
     hatte ihn sogar für eine Beförderung vorgeschlagen. Wenn sein Glück anhielt, wenn seine Vorgesetzten über seine Sauferei,
     über die Gerechtigkeitsquoten für ehemals benachteiligte Bevölkerungsgruppen, über die Politik und den ganzen Quatsch hinwegsahen,
     könnte er zum Kaptein aufsteigen. Noch heute würde er erfahren, ob es geklappt hatte.
    |278| Kaptein Bennie Griessel – das war Musik in seinen Ohren. Außerdem brauchte er diese Beförderung. Dringend.
    »Morgen, Vusi«, sagte er.
    »Hi, Bennie«, grüßte ihn Jimmy, der lange, magere Weißkittel von der Spurensicherung. »Wie ich höre, nennt man dich inzwischen
     ›das Orakel‹.«
    »Wie diese Frau in
Herr der Ringe
«, ergänzte Arnold, der kleine Dicke. In den Kapstädter Polizeikreisen waren die beiden als »Dick und Doof« bekannt, oft begleitet
     von inzwischen ziemlich abgedroschenen Witzen, etwa: »Die Spurensicherung wird durch Dick und Doof zu euch halten.«
    »Das war in
Matrix
, du Depp«, verbesserte Jimmy.
    »Ist doch egal«, erwiderte Arnold.
    »Einen schönen guten Morgen«, unterbrach sie Griessel. Er wandte sich zu den Uniformierten unter dem Baum und holte schon
     Luft, um sie anzuherrschen: »Das hier ist ein Tatort, los, raus hier, und zwar sofort«, als ihm einfiel, dass das Vusis Fall
     war. Er musste den Mund halten und Mentor spielen. Er warf den Uniformierten einen drohenden Blick zu, der keinerlei Effekt
     hatte, und wandte sich dann zu der Leiche um.
    Das Mädchen lag auf dem Bauch, den Kopf der Straße abgewandt. Ihr blondes Haar war sehr kurz geschnitten. Über ihren Rücken
     zogen sich zwei horizontale Schnittwunden, gleichmäßig rechts und links über ihre Schulterblätter. Aber es war der gewalttätige
     Schnitt durch ihre Kehle, der ihren Tod verursacht hatte, tief genug, um die Speiseröhre freizulegen. Mit Gesicht, Brust und
     Schultern lag sie in einer großen Blutlache. Der Geruch des Todes hing bereits in der Luft, bitter wie Kupfer.
    |279| »Mein Gott!«, sagte Griessel. Angst und Ekel stiegen tief aus seinem Inneren in ihm auf. Er musste durchatmen, langsam und
     ruhig, wie Doc Barkhuizen es ihn gelehrt hatte. Er musste auf Abstand gehen –
es nicht an sich heranlassen.
    Er schloss für einen Moment die Augen. Dann schlug er sie wieder auf, blickte hinauf in die Bäume. Er suchte nach Objektivität,
     aber es war und blieb eine furchtbare Art zu sterben. In seinem Kopf stiegen unwillkürlich Vorstellungen davon auf, wie es
     sich zugetragen hatte – das blitzende Messer, das seifenglatt und tief durch ihr Gewebe schnitt.
    Rasch erhob er sich und gab vor, sich umzusehen. Dick und Doof zankten sich um irgendetwas, wie üblich. Er versuchte, sie
     zu verstehen.
    Mein Gott, und sie war noch so jung! Achtzehn, neunzehn?
    Was war das für ein Wahnsinn, einem solchen Kind die Kehle durchzuschneiden? Was für eine Perversion?
    Er verscheuchte die Bilder aus seinem Kopf, dachte an die Fakten, die Folgen. Sie war weiß. Das bedeutete Ärger. Das verhieß
     Medienrummel. Der ganze Kreislauf der Anschuldigungen, das Verbrechen sei außer Kontrolle geraten, würde wieder von vorn
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