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Schwarz. Weiß. Tot.: Storys

Titel: Schwarz. Weiß. Tot.: Storys
Autoren: Deon Meyer
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unbekannt.
    »Griessel.« Seine Stimme verriet ihn. Heiser brachte er die ersten Worte des Tages hervor.
    |271| »Hi, Bennie, ich bin’s, Vusi. Tut mir leid, dass ich dich wecken muss.«
    Griessel hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Sein Kopf war voller Watte. »Schon okay.«
    »Wir haben … eine Leiche.«
    »Wo?«
    »St. Martini, die lutherische Kirche oben in der Langstraat.«
    »
In
der Kirche?«
    »Nein. Sie liegt daneben.«
    »Bin sofort da.«
    Griessel beendete die Verbindung und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare.
    Sie
hatte Inspekteur Vusumuzi Ndabeni gesagt.
    Bestimmt eine Stadtstreicherin, eine der obdachlosen
bergies
, die am Fuße und an den Hängen des Tafelbergs lebten. Eine, die zu viel von weiß Gott was getrunken hatte. Er legte das Handy
     neben seinen neuen gebrauchten Laptop.
    Dann wandte er sich um, immer noch nicht ganz wach. Beim Umdrehen stieß er gegen das Vorderrad seines Fahrrads, das an seinem
     Leihhaus-Sofa lehnte, und konnte es gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor es umfiel. Dann stieg er die Holztreppe wieder
     hinauf. Das Fahrrad erinnerte ihn flüchtig an seine finanzielle Misere, aber er schob diesen Gedanken beiseite.
    Im Schlafzimmer zog er die kurze Hose aus. Ein verräterischer Moschusgeruch stieg ihm vom Unterleib aus die Nase.
    Verdammt!
    Das Schuldbewusstsein traf ihn mit voller Wucht. Seine |272| Gewissensbisse und die Erinnerungen an den vorigen Abend verdrängten die letzte Spur von Trägheit aus seinem Kopf.
    Was war nur in ihn gefahren?
    Er warf die Hose in einem vorwurfsvollen Bogen in Richtung Bett und ging ins Badezimmer.
    Missgelaunt hob Griessel den Toilettendeckel hoch, zielte und pinkelte.
     
    Als sie den asphaltierten Seinheuwelweg erreichte, erblickte sie die Frau und den Hund, hundert Meter links von ihr. Sie wollte
     laut rufen, ihre Lippen formten zwei Wörter, aber ihre Stimme ging im Keuchen ihres Atems unter.
    Sie rannte auf die Frau und das Tier zu. Der Hund war groß, ein Ridgeback. Die Frau war um die sechzig, eine Weiße. Sie trug
     einen großen rosa Sonnenhut, einen Wanderstock und einen kleinen Rucksack.
    Der Hund wurde plötzlich unruhig. Vielleicht roch er ihre Angst, vielleicht spürte er ihre Panik. Ihre Sohlen klatschten auf
     den Teer, während sie ihren Lauf verlangsamte. Sie blieb stehen, drei Meter von der Hundebesitzerin entfernt.
    »Helfen Sie mir!«, bat die junge Frau auf Englisch mit starkem amerikanischen Akzent.
    »Was ist denn los?« Besorgt blickte die Frau sie an und wich einen Schritt zurück. Der Hund knurrte und zerrte an der Leine,
     strebte auf die junge Joggerin zu.
    »Die wollen mich umbringen!«
    Die Frau sah sich erschrocken um. »Aber hier ist doch niemand.«
    Die Läuferin blickte über die Schulter. »Sie sind hinter mir her!«
    |273| Dann musterte sie die Frau und den Hund und erkannte, dass ihre Mühe vergeblich war. Sie konnten ihr nicht helfen. Nicht hier
     in der Offenheit des Berghangs, nicht gegen die. Sie brachte sie nur in Gefahr.
    »Rufen Sie die Polizei an. Bitte! Benachrichtigen Sie einfach die Polizei«, flehte sie und setzte erneut zum Laufen an, langsam
     zunächst, gegen den Widerstand ihres Körpers. Der Hund sprang mit einem Satz nach vorn und bellte. Die Frau zog an der Leine.
    »Aber warum denn?«
    »Bitte!«, wiederholte sie und schleppte sich weiter den Asphaltweg hinauf in Richtung Tafelberg. »Bitte, rufen Sie bei der
     Polizei an!«
    Als sie etwa siebzig Schritte entfernt war, drehte sie sich noch einmal um. Die Frau stand immer noch genauso da, reglos und
     ein wenig verwirrt.
     
    Bennie Griessel zog ab und fragte sich, warum er das Schlamassel gestern Abend nicht hatte kommen sehen. Er war nicht darauf
     aus gewesen, es war einfach passiert. Mein Gott, was machte er sich denn solche Vorwürfe, er war doch auch nur ein Mensch!
    Aber er war verheiratet.
    Wenn man das eine Ehe nennen konnte. Getrennt von Tisch, Bett und Wohnung. Nein, verdammt, Anna konnte nicht alles haben.
     Sie konnte ihn nicht aus seinem eigenen Haus werfen, erwarten, dass er zwei Haushalte unterhielt, und dann auch noch verlangen,
     dass er sechs Monate lang nüchtern und enthaltsam lebte.
    Wenigstens war er nüchtern. Schon seit einhundertsechsundfünfzig |274| Tagen. Das bedeutete einen Kampf von über fünf Monaten gegen die Flasche, Tag für Tag, Stunde um Stunde, bis jetzt.
    Auf keinen Fall durfte Anna das mit gestern Abend erfahren. Nicht jetzt. Nur knapp einen Monat vor dem Ende seiner Verbannung,
     der
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