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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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schrieb der Direktor elegisch in einem offenen Brief an seinen deutschen Freund und Kollegen im Naturkundemuseum Berlin, berühmt für ihre demonstrativen, von lauten Grunzlauten begleiteten Liebesspiele, die im ganzen Jardin des Plantes widerhallten.
    War sie anfangs, erinnerten sich alte - sehr sehr sehr alte, sagte Sydow streng – Museumsangestellte, noch in einer Schubkarre zu ihren Gespielen gefahren worden, habe das später, wegen ihres beträchtlich angewachsenen Gewichts und Umfangs, ein fest angestellter Gabelstapler bewerkstelligt, er hieß Jean-Jaques Fontemblaux und trug einen Schnauz.
    Auf dem Foto stand er rauchend neben einem ruhenden Gabelstapler und schaute in eine sinnlose Zukunft. Der ausgebildete Chauffeur, stand darunter, Jean-Jaques Fontemblaux, befinde sich seither in Trauer. In tiefer Trauer und auf trauriger Arbeitssuche, lege aber, so die unten geschaltete Jobanzeige, Wert darauf, auch weiterhin ausschließlich im Zeichen der Liebe unterwegs zu sein. Zuschriften bitte unter Chiffre usw.
    Das französische Rezept war, saisonbedingt sommerlich, eine Crêpe Framboise, die Deutschen kochten schon wieder Wurst. Currywurst sei, behauptete Siebeck, ein traditionell deutsches Essen, perfekt für einen gelungenen Sommerabend.
    Siebeck, dachte Sydow verärgert, verlottert auch zusehends. Er, der bis vor Kurzem noch Kartoffeln nur als Bamberger Hörnchen kennen wollte und von sich behauptete, herauszuschmecken, ob ein Kuchen von Hand oder mit der Maschine gerührt wurde, speiste das deutsche Volk neuerdings mit allerlei Frechheiten aus Wurst ab, er, der sich die Erziehung des germanischen Gaumens auf den Bauch geschrieben hatte, wurde nur immer dicker. Und er ordnete neuerdings alles seiner neuen dicken Freundschaft mit diversen dicken französischen Küchenchefs unter. Er hatte, so schien es, die Deutsche Küche einfach aufgegeben. Sollten die hiesigen Ignoraten seinetwegen alle zwei Tage Wurst essen und dazwischen Kartoffeleintopf von der gemeinen Linda, sollten sie, war Siebeck doch egal, wieder ohne schlechtes Gewissen ihre Billigeinkäufe tätigen und beim Essen sparen, wo sie konnten, Pangasius fressen und denken, das sei ein wichtiger Fisch, er, Siebeck, hatte es satt, ihnen ständig auf die Finger zu schauen, und war mit wehenden Fahnen und quellendem Fleisch zu den Franzosen übergewechselt. Er und Alain Ducasse hatten sich die dicken Arme um die Schultern gelegt und prosteten sich zu, sie hatten vor Freude und Freundschaft rote Nasen und putzige Mehlstaubstüber auf den –
    Das ist schön, dass du dich weiterbildest, seine Oma stellte das Tablett ab und ordnete irgendwelche Falten, am Rock natürlich.
    Er legte die Zeitung zusammen, ja, geht so, sagte er, Bildung ist ein zweischneidiges Schwert.
     
    Was ist mit dieser Liebesszene, fragte mein Lektor hier irritiert, er blätterte durch den Wust von Manuskriptseiten, wir hatten doch abgemacht, dass –
    Was soll ich machen, sagte ich, wenn Mathias, ach was, Frederik einmal loslegt, habe ich keine Chance mehr. Stanjic übrigens auch nicht.
    Für dich immer noch Sydow, sagte er pingelig, du kannst hier nicht deine persönlichen amourösen Verstrickungen –
    Meinetwegen!, rief ich, die Leute an den Nebentischen schauten zu uns rüber (wir saßen übrigens wieder im Liebling, am Helmholtzplatz, ich hatte wenig Lust auf das Tante und Frau von Sydow, die zu allem ihren Senf dazugeben würde), ich kann, zischte ich, wie Stanjic nur warten, bis sich die Gelegenheit bietet, wieder –
    Von mir aus, sagte er, aber die Infos hier kann man hoffentlich noch brauchen.
    Ja sicher, sagte ich sofort, ich fang hier nichts an, was ich nicht zu Ende bringe, das alles wird noch nützlich sein.
    Er seufzte und betrachtete schwermütig den Blätterstapel. Dass du das nicht hinkriegst, sagte er, eine Geschichte schön auf knackigen 100 Seiten abzuwickeln.
    Wohl kann ich das, behauptete ich, die abermalige Verwendung des Wortes knackig ließ ich unkommentiert, er liebt es, ich hasse es.
    Wetten, sagte er hinterlistig.
    Gilt, ich schlug ein. Wovon soll es handeln, fragte ich.
    Wurscht, sagte er, Hauptsache knackig.
     
    Also weiter:
    Seine Großmutter schaute sich suchend um, sichtete Anna Snozzi irgendwo im Getümmel und gab ihr einen Wink. Sie setzte sich zu ihm an den Tresen. Ich muss jetzt mal was essen und die Beine ausruhen. Manchmal kommt es mir vor, als gäbe es in ganz Berlin kein anderes Café.
    Frau Sydow schob die Zeitung beiseite und machte Platz, Anna
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